„Prison Tapes – Rap hinter Gitter“: Projektwoche im Knast bei RTL+
Die RTL-Dokuserie „Prison Tapes“ schickt die vier Rapper Veysel, Eko Fresh, Nimo und Olexesh in den Knast, um dort mit Häftlingen Rapsongs zu produzieren.
„Für die hier drinnen bin ich nichts außer ’ne Buchnummer“, rappt Veysel 2012 auf dem Song „Besuchstag“. Er selbst saß von 2009 bis 2012 in der JVA Bochum ein – inzwischen ist Veysel Gelin, wie der Essener Rapper mit bürgerlichem Namen heißt, erfolgreicher Rapper und bekanntes Schauspielgesicht der Serie „4 Blocks“. Auch seine drei Kollegen Nimo (Nima Yaghobi), Eko Fresh (Ekrem Bora) und Olexesh (Oleksij Kossarew) gehören zu den erfolgreichsten Rapkünstler:innen dieses Landes und sind inzwischen weit über die Grenzen ihrer Szene bekannt. Doch in Prison Tapes (ab sofort bei RTL+) stehen ausnahmsweise mal nicht die Rapstars im Rampenlicht: Die RTL-Dokuserie schickt die vier Rapper in vier abgeschlossenen Folgen in je einen deutschen Knast, um dort mit einer Gruppe von Häftlingen einen professionellen Rapsong zu schreiben, zu produzieren und schließlich sogar vor den anderen Insassen zu performen.
„Prison Tapes – Rap hinter Gitter“: Jetzt bei RTL+ streamen
1968 spielte Johnny Cash live im Folsom Prison, heute sind es Veysel, Nimo, Eko Fresh und Olexesh. Zugegeben: Die Prämisse, Strafgefangene mit ihren großen Idolen, mit Popstars zusammenzubringen, ist nicht ganz neu, und auch Knastdokus gibt es inzwischen zuhauf. Doch Prison Tapes holt die Häftlinge aus ihrem Knastalltag, kitzelt kreatives Potenzial aus ihnen heraus und macht so mehr als nur eine Buchnummer aus ihnen.
Für ein paar Tage bringen die Rapper Projektwochenflair in die Aufenthaltsräume der Strafanstalten. Die anfängliche Aufregung, das Engagement und der wachsende Gruppenzusammenhalt innerhalb der Häftlingsgruppen wird nüchtern und neutral eingefangen, und schnell entwickelt sich beim Zusehen ernsthafte Sympathie für die Insassen, die wegen Drogendelikten, Raub oder sogar schwerer Körperverletzung sitzen – und das, obwohl die Serie beweist, dass Rappen ein echtes Handwerk und nicht unbedingt für jedermann ist.
Die eingespielten O-Töne der Insassen, Rapper sowie JVA-Leitungen verleihen der Serie zudem eine emotionale Tiefe und Authentizität, die sich etwa in Momenten Bahnen bricht, als einer der Insassen aufgrund illegalen Handybesitzes aus dem Projekt ausgeschlossen werden muss. Dass der dazu präsentierte Law-and-Order-O-Ton des Gefängnisdirektors etwas deplatziert wirkt, liegt dann vielleicht einfach in der Natur der Sache.
Allerdings gerät die Serie auch an ihre Grenzen. So etwa, wenn die Rapper nicht müde werden zu betonen, wie wichtig es sei, an sich zu glauben, und sich ein neoliberales Kredo vom „Du kannst alles schaffen“ festsetzt. Da viele der Insassen bereits wiederholt einsitzen und aufgrund der Drogenkarriere auch nur wenig Hoffnung darauf besteht, dass sich dies ändert, wirken diese Ratschläge etwas zynisch. Viel eher wird hier deutlich, wie dysfunktional unser System im Umgang mit Drogenkriminalität ist – doch der Serie abzuverlangen, solche systemischen Probleme lösen zu wollen, wäre ohnehin zu viel verlangt. Stattdessen findet die Serie einen frischen Zugang zum Thema Resozialisierung und Gefangenschaft und macht nicht nur für Rapfans Spaß. Eine zweite Staffel mit Haiyti, Badmómzjay, Nura und Schwesta Ewa im Frauenknast wäre sicherlich auch noch eine Bereicherung.