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Protomartyr über ihr neues Album: „Das klingt jetzt kitschig, aber …“

Protomartyr by Trevor Naud-3
(Bild: Trevor Naud)

Protomartyr haben sechs Postpunk-Alben gebraucht, um ein Liebeslied aufzunehmen. Dahinter steht allerdings eine Tragödie.

Joe, Greg, als ihr 2020 „Ultimate Success today“ veröffentlicht habt, wurde es als sehr prophetisch angesehen, insbesondere in Bezug auf die Pandemie. Glaubt ihr, ihr habt mit „Formal Growth in the Desert“ wieder viel vorausgeahnt?

Joe Casey: Das wäre auf jeden Fall schlimm. Ich hasse es, Recht zu behalten. Obwohl dieses Album nicht so düster ist wie das letzte. Trotzdem haben wir uns mit den Vorhersagen zurückgehalten.

Stimmt, stellenweise ist das Album sogar überraschend romantisch. Vor allem der Closer „Rain Garden“ …

Casey: Ich hatte immer das Gefühl, man muss sich das Recht, ein Liebeslied zu schreiben, erst verdienen. Es gibt einfach schon so viele! Also habe ich es bisher immer vermieden. Aber zuletzt haben wir die Pandemie durchgemacht, ich habe beide Eltern verloren. Ich musste einen Weg finden, trotzdem weiterzumachen. Das klingt jetzt kitschig, aber Liebe ist wohl wirklich die Antwort. (lacht)

Habt ihr Angst vor dem Kitsch?

Casey: Schau dir zum Beispiel diese Situation an: Es ist wundervoll, darüber reden zu können, was man geschaffen hat. Nur manchmal sorgst du dich, ob du nicht viel zu blumige Sprache benutzt, um etwas zu erklären, was eigentlich total simpel ist. Andererseits besteht Musik ja gerade darin, deine Gefühle auszudrücken – für mich wohl die einzige Situation, in der ich das tue.

Greg Ahee: Wenn ich Musik schreibe, geht es mir nicht darum, Kitsch zu vermeiden – das ist ja eh Geschmackssache. Aber genau deswegen rede ich auch ungern zu viel über die Musik, um nicht meiner Interpretation zu viel Raum zu geben.

Also gibt es nie den Moment, in dem du eine Melodie verwirfst, weil sie zu hübsch ist?

Ahee: Dauernd! Es ist sehr einfach, eine hübsche Melodie zu schreiben, und es gibt im Pop nur eine begrenzte Anzahl an Akkorden. Das Wichtigste ist für mich das Arrangieren, ich füge Fragmente aus verschiedenen Songs zusammen. Bevor man ein Lied aufnimmt, spielt man es ja tausend Mal hintereinander. Meine Regel ist: Wenn ich etwas so oft gespielt habe und es noch immer nicht leid bin, ist es gut. Nur leider bin ich den absoluten Großteil früher oder später leid.

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