Quincy Jones ist tot: „Thriller“-Produzent, Filmkomponist und vieles mehr
Musiklegende Quincy Jones ist verstorben. Er war als Produzent, Bandleader und Filmkomponist legendär – und als erfrischend ehrlicher Interviewpartner.
Am 3. November 2024 ist Quincy Jones im Alter von 91 Jahren verstorben. Damit hat die US-Musik eine ihrer wichtigsten Figuren verloren – und eine ihrer vielseitigsten. Im Gegensatz zu vielen anderen Stars ist es bei Jones nicht so einfach, ihn auf ein Projekt, ein Genre oder auch nur eine Rolle zu reduzieren. Denn über seine jahrzehntelange Karriere hat Quincy Jones ganz verschiedene Rollen eingenommen – und genau das macht ihn zu so einer einzigartigen Ikone. Darüber hinaus war er auch ein überaus meinungsstarker Künstler, der in Interviews oft durch seine schroffe Ehrlichkeit aufgefallen ist. Wir haben seine wichtigsten Beiträge zur Musikgeschichte zusammengefasst.
Quincy Jones, der Bandleader: Anfänge im Jazz
Seine Karriere hat Quincy Jones in den 50er-Jahren als Jazzmusiker begonnen. Als Kind lernte er Klavier und Trompete zu spielen, studierte später Musik an renommierten Colleges und war Teil diverser Bands und Ensembles. So stand er mit Elvis Presley, Dizzy Gillespie und anderen Stars auf der Bühne. Schon jetzt hat sich allerdings abgezeichnet, was richtungsweisend für seine spätere Laufbahn sein sollte: Jones’ wahre Stärke lag eher im Komponieren, Arrangieren und Produzieren von Stücken als im Spielen. Auf seinem ersten Album als Bandleader, „This is how I feel about Jazz“ von 1956, hat Jones kein Instrument gespielt, sondern die Tracks arrangiert, dirigiert und teilweise auch geschrieben.
Nachdem eine Tournee durch Europa mit seiner Gruppe The Jones Boys, einem 18-köpfigen Orchester, sich trotz großer Erfolge finanziell als Desaster erwiesen hatte, wurde Quincy Jones zum Musikdirektor von Mercury Records, wo er 1961 zum Vizepräsidenten aufstieg. In den 60er-Jahren wurde er von Frank Sinatra als Produzent und Arrangeur mehrerer Alben verpflichtet, darunter auch sein zweites gemeinsames Album mit Count Basie, der bereits zuvor mit Jones gearbeitet hatte. Seine Position bei Mercury verhalf ihm zu großer kreativer Freiheit und verschaffte ihm 1964 einen Job als Komponist für den Film „Der Pfandleiher“ – womit eine zweite Karriere begann.
Quincy Jones, der Soundtrack-Magier: Von Filmklassikern bis TV-Intros
Insgesamt hat Jones bei annähernd 40 Filmen den Soundtrack beigesteuert, darunter Klassiker wie „Kaltblütig“ (1967), „Charlie staubt Millionen ab“ – im Original „The Italian Job“ – von 1969 oder „Die Farbe Lila“ (1985). Auch bei diversen Fernsehsendungen und Serien zeichnete Jones für das Intro verantwortlich, etwa die Krimiserie „Der Chef“ oder die Sitcom „Bill Cosby“. In den 90ern sollte er sein Repertoire erweitern und Serien wie „Der Prinz von Bel-Air“ und „MadTV“ koproduzieren, zusammen mit dem Fernsehproduzenten David Salzman – hier stammte die Musik allerdings nicht von Jones. Auch andere seiner Stücke fanden ihren Weg in Film und Fernsehen: Seine Komposition „Soul Bossa Nova“, erstmals 1962 von Jones eingespielt, wurde später zur Erkennungsmelodie von Austin Powers – und in Deutschland zur Titelmusik von „Was guckst du?“. Im dritten Austin-Powers-Teil hatte Jones gar einen Gastauftritt:
Es war sein Job als Filmkomponist, der Quincy Jones zur vielleicht wichtigsten musikalischen Partnerschaft seines Lebens geführt hat. Denn 1978 war er am Soundtrack zu „The Wiz – Das zauberhafte Land“, einer Filmadaption des Broadway-Musicals beteiligt, das den „Zauberer von Oz“ ins Harlem der Gegenwart holt. Die Rolle der Vogelscheuche spielte niemand anderes als Michael Jackson. Der Film war zwar ein Flop, doch die entstandene Freundschaft zwischen Jones und Jackson erwies sich später als extrem wichtig für beide Karrieren.
Quincy Jones, der Pop-Produzent: Die Michael-Jackson-Trilogie
Inspiriert von der Arbeit an „The Wiz“ und gegen die Wünsche seines Labels bat Michael Jackson Jones im folgenden Jahr, sein erstes „erwachsenes“ Soloalbum „Off the Wall“ zu produzieren. Für Jackson war es auch eine Emanzipation von seiner Familie, seinem ehemaligen Label Motown und seinem alten Image. Zusammen mit Jones schuf er einen Sound zwischen Disco, Pop und Funk, der richtungsweisend war und der Platte zu einem Überraschungserfolg verhalf.
Aber erst das nächste gemeinsame Album sollte alle Rekorde brechen: „Thriller“ von 1982 ist bis heute das meistverkaufte Album aller Zeiten. Es etablierte Jackson als den King of Pop und setzte neue Standards, nicht nur aufgrund von Singles wie „Beat it“, „Billie Jean“ oder dem Titeltrack, sonder auch dank der innovativen Musikvideos. Hinter den Kulissen allerdings war die Beziehung zwischen Jackson und Jones angespannt, sie arbeiteten zunehmend getrennt voneinander – umso beeindruckender ist das Endprodukt. Die Musik bewegte sich von Disco weg und nahm Einflüsse aus Rock, Synthpop und World Music auf.
Fünf weitere Jahre später erschien mit „Bad“ die dritte und letzte Kollaboration der beiden Musiker, die ebenfalls ein Megaerfolg wurde und sich teilweise härteren Sounds zuwandte. Für den Nachfolger „Dangerous“ tat sich Jackson mit anderen Produzenten zusammen – auch, weil er Angst hatte, man würde seine Erfolge eher mit Jones assoziieren als mit ihm selbst.
Quincy Jones, der Geschichtenerzähler: Legendäre Interviews
Im Laufe seiner langen Karriere hat Quincy Jones natürlich zahllose andere Stars getroffen und unglaublich viel erlebt. Kein Wunder, dass er mehr als nur eine Geschichte zu erzählen hatte. Parallel hat er selbst Geschichte geschrieben – und hatte auch nie Angst davor, mit seiner Meinung hinterm Berg zu halten. So hat Jones schon zu beginn seiner Karriere Martin Luther King jr. unterstützt, diverse Wohltätigkeitsorganisationen gegründet und sich für die Rechte der Benachteiligten eingesetzt. Der Charity-Song „We are the World“ von 1985, geschrieben von Lionel Richie und Michael Jackson, wurde von ihm produziert.
Mit seinem Auftreten in der Öffentlichkeit sorgte Jones dabei nicht nur für Respekt, sondern auch für Erheiterung, vor allem durch seine erfrischende Ehrlichkeit. In Interviews war Jones bekannt dafür, seine Meinung deutlich zu sagen und auch vor Kontroversen nicht zurückzuscheuen. Ein legendäres Interview mit Vulture aus dem Jahr 2018 ist dafür bezeichnend. Darin erklärt er unter anderem die Beatles zu den „schlechtesten Musiker der Welt“, gab bekannt, er habe einst eine Beziehung zu Ivanka Trump gehabt, und behauptete, Marlon Brando habe Sex mit Richard Pryor gehabt.
Selbst vor Freund:innen schreckte er nicht zurück: So hat er betont, Oprah Winfrey sei nicht tough genug, um Präsidentin der USA zu werden, und widersprach Michael Jacksons Beteuerungen, seine Schönheitsoperationen seien medizinisch bedingt. Nach dem Interview 2018 mussten seine sechs Töchter, darunter Schauspielerin Rashida Jones, ihn gar mit einer Intervention überraschen. Daraufhin entschuldigte sich Jones auf Twitter: „Ich ermutige euch alle, bitte mit mir zu wachsen und weiterzumachen“, schrieb er. „Liebe Grüße, ein 85-jähriger, o-beiniger Mann, der noch immer aus seinen Fehlern lernt.“