ATLAS: Rainer Bock feiert Kino-Durchbruch mit 64
Rainer Bock hat mit Haneke, Spielberg und Tarantino gedreht, war in „Homeland“ und „Better Call Saul“ zu sehen – und nun in seiner ersten Hauptrolle.
Rainer Bock ist einer der besten Nebendarsteller im deutschen Film. Wir haben mit ihm über sein spätes Karrierehighlight in dem tollen Drama „Atlas“ gesprochen.
Herr Bock, was war Ihre Reaktion, nachdem Sie das Drehbuch von „Atlas“ gelesen hatten?
Rainer Bock: Ich hielt mich für eine völlige Fehlbesetzung. Das ist der Sepp Bierbichler, dachte ich, der hat Hände wie Bratpfannen. Aber doch nicht ich: leicht verfettet, untermuskulär und mit einer verhältnismäßig ausgeprägten humanistischen Halbbildung. Vom Gewichtheber Walter bin ich so weit weg wie eine Kuh vom Fliegen!
Aber Sie wollten die Rolle dann doch.
Rainer Bock: Natürlich hat mir die Rolle gefallen. Ich bin da neugierig hingefahren, um die Erfahrung zu machen, aber nicht mit brennenden Fingernägeln und Herzrasen und diesem: Die Rolle gehört quasi mir! Das hat dem Casting vermutlich eine gewisse Leichtigkeit gegeben. Weil ich dachte: Die werden schon selber merken, dass das nicht geht. In der Figurenbeschreibung steht „Er hebt seinen schweren, massigen Körper’“,und man sieht das Muskelspiel von Walter quasi in der Abendsonne. Selbst wenn ich drei Jahre trainiere kriege ich das nicht hin! Natürlich habe ich auf der anderen Seite versucht, der Figur so nahe wie möglich zu kommen.
Und wie lange haben Sie trainiert?
Rainer Bock: Ein dreiviertel Jahr bin ich zwei, drei Mal die Woche in die Muckibude gegangen. Ich hatte einen Personal Trainer, der mich von null auf sagen wir 60, 70 Prozent gebracht hat.
Hat’s Spaß gemacht?
Rainer Bock: Erst nicht, weil mir alles weh tat. Später schon, und ich musste ja auch noch arbeiten, im Unterschied zu echten Stars in Amerika, die freigestellt werden, um sich ein halbes Jahr auf ihre Muskeldefinition zu konzentrieren. So wie Hugh Jackman, der für die „X-Men“-Filme für einen Schwenk auf seinen Wolverine-Waschbrettbauch monatelang schuftet. Und ich wurde seit „Das weiße Band“ und „Barbara“ im Film oft als böser, kalter, intellektueller Machtmensch besetzt. Leider war es selten, dass mal einer den zweiten Blick wagte. Das ändert sich gerade, und im Theater hatte ich auch immer eine viel größere Bandbreite. Deshalb habe ich mich über die Entscheidung, umso mehr gefreut, mich als Walter zu besetzen.
Walter ist in der Tat Ihre erste Hauptrolle. Wie war das so?
Rainer Bock: Es war aufregend, mich 99 von 100 Minuten im Bild zu sehen. Ich musste den Film das erste Mal alleine anschauen und dann ein zweites Mal, um etwas Distanz zu bekommen. Beim Zuschauen dachte ich: Mensch der tut ja gar nichts! Das hat mich fast aggressiv gemacht und ich dachte: Alter Schwede, schlag doch mal zu und guck nicht einfach irgendwohin! Walter hält sich ja aus allem raus, aufgrund dieses Vorfalls vor 30 Jahren. Konsequenz war Abtauchen, Identität wechseln. Ganz langsam setzt er sich mit seinen Entscheidungen wieder in Bewegung. Mein Lebensmotto ist das nicht! Ich muss eine Einstellung zu den Dingen finde. Und dazu gehört, dass ich morgens, wenn ich ans Set komme, weiß, wie meine Figur tickt, wie sie sich bewegt, wie sie reagiert, geistig und emotional und auch wie sie, wenn man so will, pinkelt. Das Ergebnis ist, was wir jetzt auf der Leinwand sehen.
Interview: Nataly Bleuel
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