Gareth Edwards: „Wie ein Horrorfilm im Zeugenschutzprogramm“

Gareth Edwards sagt, irgendwer habe für ihn Lose gezogen, die dann zu Hauptgewinen wurden. Was der Regisseur sonst noch zu seinem neuen Film „Jurassic World: Die Wiedergeburt“ sagt, erfahren Sie in diesem kulturnews-Interview.
Sie haben einmal gesagt, dass es wie ein Lottogewinn war, Filme wie „Godzilla“, „Rogue One: A Star Wars Story“ und „The Creator“ drehen zu dürfen. Mit „Jurassic World: Die Wiedergeburt“ (hier unsere Rezension zum Film) scheinen Sie wieder das große Los gezogen zu haben. Wie machen Sie das?
Gareth Edwards: ich sagte, dass man tunlichst keine weiteren Lose mehr kaufen soll, wenn man schon einmal gewonnen hat. Jetzt scheint jemand anders für mich Tickets zu kaufen, damit ich gewinne. (lacht) Und nun bin ich wohl in der Matrix gelandet und habe Filmregisseur als meine Simulation genannt. Eigentlich dürfte das alles gar nicht passieren. Als Kind träumt man davon einen „Star Wars“ oder „Jurassic Park“-Film zu drehen. Ich habe erst mit 35 Jahren mit „Monsters“ meinen ersten Spielfilm gedreht und dachte, ich hätte versagt, weil Steven Spielberg schon mit 24 Jahren durchgestartet ist.

Spielberg ist ihr großes Idol und der Grund, warum sie selbst Filmemacher wurden. Nun haben Sie ausgerechnet 50 Jahre, nachdem er mit „Der weiße Hai“ den Sommer-Blockbuster erfand, selbst einen Blockbuster gedreht, produziert von Spielberg selbst. Wie gefällt ihm das Endergebnis?
Edwards : Er hat den Film ganz kurz vor der finalen Fertigstellung gesehen und war sehr glücklich mit dem Ergebnis. Wir haben etwa anderthalb Stunden telefoniert, und er hat mir einige Anmerkungen gegeben, die alle sehr hilfreich waren. Manchmal bekommt man Tipps von Produzenten und anderen Leuten, die sehr frustrierend sind, aber von Spielberg sind es immer kleine, brillante Ideen. Und später denkt man jedes Mal: Wieso bin ich da nicht selbst drauf gekommen? Ein guter Regisseur ist wie ein guter Koch. Und ein Tipp von Spielberg war, den Zuschauer immer mit ein bissche Appetit aus dem Kino zu schicken. Wenn er satt und abgefüllt ist, hast du etwas falsch gemacht. Das Publikum hat immer gewisse Erwartungen, und ein Regisseur denkt, diese Erwartungen müsse er erfüllen, um alle glücklich zu machen. Das ist aber ein Fehler und ein Missverständnis. Denn wenn du das tust, wird das Publikum keine Überraschung erleben. Es ist diese komische Beziehung zueinander, wo man als Regisseur immer ein wenig rebellisch sein und einen Teil des Publikums verschrecken muss, um weiter glaubwürdig zu sein. Um noch mal auf Spielberg zu sprechen zu kommen: 1982 gab es niemanden, der sich einen Film über einen außerirdischen Botaniker gewünscht hat, der auf der Erde zurückbleibt. Dafür muss ein Filmemacher Risiken eingehen und mutig sein. Als John Carpenter im selben Jahr „The Thing“ drehte, war der Film ein totaler Flop. Heute sieht man ihn als Meisterwerk. Daher sollte man Filme immer auch mit einer Distanz von mindestens 20 Jahren betrachten. „Jurassic Park“ wirkt für mich heute immer noch frisch und zeitgemäß, wenn ich ihn sehe. Das macht einen guten Film aus.
Als 1993 „Jurassic Park“ in die Kinos kam, waren sie gerade mal 18 Jahre alt. Was haben Sie damals empfunden, als sie den Film das erste Mal sahen?
Edwards: Ich hatte damals zuerst das Buch von Michael Crichton gelesen und mir „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Der weiße Hai“ und „Jäger das verlorenen Schatzes“ ungefähr fünf Millionen mal angeschaut. Also hatte ich erwartet, dass „Jurassic Park“ auch in Wide Screen gedreht wurde. Damals wurde in England in den Kinos die Leinwand nach der Werbung und zu Beginn des Hauptfilms weiter geöffnet, so dass der Film in Wide Screen abgespielt wurde. Aber das passierte nicht. Ich habe erst später verstanden, dass Spielberg das Format bewusst so gelassen hat, um die Größe der Dinosaurier hervorzuheben. Und auch wenn ich versucht habe, viele Dinge so zu machen wie Spielberg, habe ich mich für „jurassic World: Die Wiedergeburt“ doch für Wide Screen entschieden und den Film in Panavison gedreht.
Wie schon bei ihrer Arbeit zu „The Creator“, haben Sie auch bei „ Jurassic World: Die Wiedergeburt“ versucht, so weit wie möglich an Originalschauplätzen und ohne Green Screen zu drehen und die Effekte erst später einzubauen. Wollten Sie so ein Overkill an Digitaleffekten wie etwa den „Transformers“-Filmen vermeiden und einen Look wie bei Film aus den Achtzigern und Neunzigern erzeugen?
Edwards: Es gab die goldene Regel, überall dort, wo es geht, vor Ort im Dschungel oder vor echten Wasserfällen zu drehen. Die Arbeit an „The Creator kam mir also zugute, weil ich teilweise zu den gleichen Drehorten zurückgehen konnte. Der Film ist konzipiert wie eine Pizza. Jeder Teil ist wie ein eigener kleiner Kurzfilm, der wie ein Liebesbrief an Steven Spielberg funktioniert. Außerdem habe ich versucht, mehr Horrorelemente unterzubringen. Mein kleiner eigener Witz während der Dreharbeiten war immer, zu sagen, dass „ Jurassic Park“ sich anfühlte wie ein Horrorfilm im Zeugenschutzprogramm. (lacht) Der Film tut so, als wäre er ein Abenteuerfilm für die ganze Familie, aber eigentlich ist er ganz schön gruselig. Doch mit jedem Spaß kann sich der Film erlauben, noch unheimlicher zu werden. Und es gibt viele lustige Szenen, aber man würde niemals denken, dass„Jurassic Park“ eine Komödie oder ein Horrorfilm wäre. Das ist der Verdienst von Drehbuchautor David Koepp. Und wir haben auch bei „Jurassic World: Die Wiedergeburt“ versucht, viel Humor reinzustecken, um uns dann auch erlauben zu können, große Spannung zu erzeugen.
Sie haben Drehbuchautor David Kopp erwähnt. Er ist neben den Produzenten Frank Marshall und Steven Spielberg auch wieder dabei. Was hat Ihnen das bedeutet?
Gareth Edwards: Das war sehr wichtig und ausschlaggebend. Das Drehbuch existierte bereits, als ich an Bord kam. Und als ich den Filmtitel und diese drei Namen sah, schlug mein Kritik-Barometer direkt von null auf 75 Prozent Interesse hoch, noch bevor ich die erste Seite las. Wenn man bei einem Franchise wie „Jurassic World“ Regie führen darf, soll es keine Karaoke-Fan-Veranstaltung werden, sondern der Real Deal. Und mit Spielberg und Koepp hatte ich sofort meine Gütesiegel sicher.
