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„Rembrandts Amsterdam – Goldene Zeiten?“ im Städel: Die dunklen Seiten des Goldenen Zeitalters

Städel Frankfurt
Bartholomeus van der Helst (ca. 1613 – 1670) Die Vorsteher des Kloverniersdoelen, 1655, Öl auf Leinwand, 171 x 283 cm, Amsterdam, Amsterdam Museum

Brauchen wir heute noch den ollen Rembrandt und Konsorten? Aber ja!, sagt Jochen Sander, stellvertretender Direktor des Städel in Frankfurt und Kurator der aktuellen Alte-Meister-Ausstellung.

Jochen Sander, die Maler des Goldenen Zeitalters sind ein sehr beliebtes Thema in großen Museen. Sie schauen nun in der Ausstellung „Rembrandts Amsterdam – Goldene Zeiten? “ im Städel in Frankfurt auf die dunklen Seiten des wirtschaftlichen Booms in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, auf Armut, Kolonien, Versklavung und Ausbeutung. Warum?

Kunst kann so viel mehr, als „nur“ schön zu sein! So wunderbar und wichtig der Kunstgenuss in einer Ausstellung oder im Museum auch ist: Richtig spannend wird es doch, wenn es uns gelingt, auch hinter die Kulissen zu schauen. Jedes Kunstwerk ist ein Zeitzeuge und kann natürlich auf ganz unterschiedliche Weise befragt werden. Vor drei Jahren haben wir in „Nennt mich Rembrandt“ im Städel die Marketingstrategien Rembrandts zum Thema einer großen Ausstellung gemacht. Diesmal geht es darum, die glanzvolle Selbstdarstellung der Amsterdamer Elite im Gruppenporträt mit Bildern von Menschen zu verbinden, für die das Goldene Zeitalter nicht golden war. In den Geschichten, die wir in der Ausstellung erzählen können, wird das Bild der Rembrandt-Zeit umso vielfältiger und interessanter.

Rembrandt Städel
Leiter der Abteilung „Deutsche, Holländische und Flämische Malerei vor 1800“ und Stellvertretender Direktor des Städel Museums Foto: Städel Museum – Sima Dehgani

Ist es für ein Museum wie das Städel in Frankfurt nicht auch ein finanzielles Risiko, wenn Sie prominente, umsatzstarke Publikumsmagneten entmystifizieren?

Rembrandt bleibt Rembrandt! Denn das Außerordentliche und Überwältigende an seiner Kunst wird ja gerade im Vergleich zu den Leistungen seiner Zeitgenossen unübersehbar deutlich. Wenn Sie in unserer Ausstellung sehen, wie radikal neu Rembrandt beispielsweise in seiner „Anatomie-Vorlesung des Dr. Deijman“ die traditionelle Bildaufgabe eines Gruppenporträts löst, dann steigert das den Respekt vor diesem Ausnahmekünstler – von der Entmystifizierung eines Publikumsmagneten kann da keine Rede sein.

Damals ließ sich die bürgerliche Elite in Gruppenporträts von führenden Malern verewigen und zeigte damit seine Bedeutung und seine Macht. Später haben sich andere Wohlhabende diese Bilder über den Kamin gehängt, um wiederum ihren Reichtum zu kommunizieren. Ist diese Instrumentalisierung der Kunst unvermeidlich?

Anders als in der Gegenwart entstand die Kunst im 17. Jahrhundert überwiegend als Auftragskunst. Doch der Funktionszusammenhang, für den ein Kunstwerk geschaffen wird, ist immer zeitgebunden. Fast die gesamte ältere Kunst, die bis heute erhalten geblieben ist, hat nur deshalb überlebt, da sie neue Funktionen bekommen hat. Eine davon kann auch die eines bloßen Statussymbols für einen privaten Sammler sein. Doch spätestens dann, wenn das Kunstwerk in einem öffentlichen Museum gelandet ist, bekommt es eine neue, faszinierende Rolle: die einer Zeitkapsel, die uns heute die Vergangenheit schließen hilft!

Worin liegt generell unsere Faszination für Alte Meister? Haben Sie uns noch etwas zu sagen?

Wir leben in einer komplexen, herausfordernden Gegenwart. Alte Kunst funktioniert tatsächlich wie eine Zeitkapsel, die uns erlaubt, die Vergangenheit besser zu verstehen – in ihrer Fremdheit, aber auch darin, dass viele Erscheinungen des menschlichen Lebens zeitlos sind. Und so kann uns beispielsweise Rembrandt heute noch ganz unmittelbar berühren und eine überraschende, neue Perspektive auch auf unsere eigene Gegenwart eröffnen.

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