„Remember“ von Weval: Mit dem niederländischen Elektroduo im Studio
Eigentlich will Merjin Scholte Albers von Weval auf Magic Mushrooms durch die Stadt irren – doch mit Bandkollegen Harm Coolen gibt’s im Studio nur schwarzen Kaffe.
Mit seinem Ellenbogen drückt Harm Coolen die schwere Metalltür zum Tonstudio auf. Dumpf schlägt sie hinter ihm zu. Der Raum schluckt augenblicklich jedes Geräusch. Ein silbernes Tablett mit drei abgewetzten, henkellosen Tassen balanciert auf seinen Händen. „Oh wie edel, der feine Herr“, scherzt Merjin Scholte Albers. „Ich muss euch leider enttäuschen: Das ist bloß einfacher, schwarzer Filterkaffe – kein geiler Hipster-Latte“, entgegnet Harm. Alles andere hätte mich auch gewundert.
Wir sitzen zu dritt in einem kleinen Studio im Westen von Amsterdam, weit weg vom Grachtengürtel, den rotäugig verquollenen Touristengruppen und den unbezahlbaren Yuppie-Wohnungen mit ihren unbenutzten Kochinseln. Das Studio liegt an einer Landstraße, hinter einer akkurat angelegten Gartenhaussiedlung, zwischen Viehgittern und Lagerhallen. Es riecht nach Gülle. Der Ort versprüht eher Tatort-Vibes als Popstar-Glamour, und die Inneneinrichtung des Studios erinnert an ein erstes eigenes WG-Zimmer: durchgetretener Teppich, ein paar Pflanzen, die alle mal wieder Wasser vertragen könnten, und natürlich ein Schlagzeug, ein Klavier und etliche Synthies. Wir setzen uns in die einladende Couch-Sessel-Ecke, schlürfen unseren schwarzen Filterkaffee.
Vom Film zum House
Harm und Merjin haben sich in der Filmindustrie kennengelernt. Dass ihre Songs bereits in Fernsehserien wie „Good Girls“, „Industry“ und dem HBO-Hitdrama „I may destroy you“ von Michaela Coel verwendet wurden, somit ein echter Ritterschlag. Als Weval sind die beiden Niederländer seit über zehn Jahren aktiv. Die Elektroszene feiert sie für ihre mäandernden Melodien und ihren organischen Housesound. Ihr neues Album „Remember“ ist zum Großteil hier in der Amsterdamer Peripherie entstanden. Der Kontrast zur City tut ihnen gut, erklärt Merjin. Ob ich mir die Innenstadt bereits angeguckt hätte, will er wissen. Ich schüttel’ nur den Kopf. „Obwohl ich seit zwölf Jahren in Amsterdam wohne, habe ich auch noch nie richtige Tourisachen gemacht: Auf Pilzen durch die Stadt laufen – das steht auf jeden Fall noch auf meiner Bucketlist!“, Merjin grinst breit und fummelt wild an einem gelben Isoliertape herum.
„So, wollen wir in das Album reinhören?“, Harms ist wie ein guter Grundschullehrer: bestimmt aber herzlich. Die hochgekrempelten Ärmel seines beigen Freizeithemdes wirken wie ein Emblem seiner Zielstrebigkeit: Er hat hier den Plan. Er macht den Kaffee. Er erinnert uns daran, dass in einer Stunde noch ein wichtiger Call ansteht. Ihm gegenüber der wuselige Merjin: Immer wieder lüftet er seine abgetragene Skatercap, um seine zerzausten Haare weiter zu zerzausen. Wir hören die ersten vier Songs schweigend durch – und plötzlich verschmelzen das Yin und das Yang: Herm und Merjin sind im Tunnel, nicken mit den Köpfen zum Beat. Nur wenn die Basslines und Drums besonders doll reinhämmern, lächeln sie verstohlen.
Back to Basic
Nicht nur konzeptuell ist „Remember“ eine Reise durch die Erinnerungen des Duos: Der Sound von Weval ist in den vergangenen Jahren zunehmend ein Kompromiss aus elektronischen und Bandelementen geworden. Davon wollen Herm und Merjin jetzt Abstand gewinnen. Sich auf die Anfänge besinnen: Ihr neues Album klingt wieder roher, härter, verzerrter. „Auf die Fresse!“, nennt es Merjin: „Das Ziel war es, dass ich das Album trotzdem noch entspannt beim Fahrradfahren hören kann.“
„Ich freue mich besonders darauf die Songs live zu spielen“, verkündet Merjin. Das abgekniddelte Isoliertape ist einem Kugelschreiber gewichen. In regelmäßigen Abständen klickt er zweimal mit dem Druckknopf. „Vor allem auf Festivals“, ergänzt ihn Harm. (Klick, klick). Erst kürzlich wurden sie neben Phoenix, Fred again.. und Stromae beim Down The Rabbit Hole bestätigt. „Ihr habt auch richtig geile Festivals in Deutschland“, schwärmt Harm. „Das verrückteste ist die Fusion – mein absolutes Lieblingsfestival.“ „Da sind die Leute selbst zu den unchristlichsten Zeiten noch völlig am Start“, wirft Merjin ein und grinst konspirativ. „Wir haben jetzt leider gleich den Call“, unterbricht Harm und klappt sein Macbook auf.
In den letzten 15 Minuten handeln wir noch die großen Themen ab: Freundschaft, der beste Song aller Zeiten und was das Besondere an einem Album ist. „Für eine Single wärst du ja wohl kaum bis nach Amsterdam gereist, oder?“, verschmitzt drückt Merjin auf seinem Kugelschreiber herum. Recht hat er. Draußen treffe ich noch einen Künstler aus einem der anderen Studios – natürlich mit einem dampfenden XXL-Joint im Gesicht.