„Reservoir Bitches“ von Dahlia de la Cerda

Die Novela „Reservoir Bitches“ der mexikanischen Autorin Dahlia de la Cerda strotzt vor misogyner Gewalt – doch manche Frauen beißen zurück.
„Reservoir Bitches“ von Dahlia de la Cerda ist unser Krimitipp der Woche.
Das Leben in Mexiko ist kein Ponyschlecken. Erst recht nicht für all die Chicas und Señoritas. Fast alle dreieinhalb Stunden wird hier eine Frau vergewaltigt, verstümmelt, verbrannt. Und Femizide geschehen wahrlich nicht nur in den Wellblechhütten-Vierteln, wo nachts auch mal jemand mit der Machete auf der Matte steht. Dahlia de la Cerda erzählt von dieser alltäglichen misogynen Gewalt, den widerwärtigen Morden. Sie debütiert mit dreizehn Stories, die sich zusammen wie ein Roman lesen: Manche der Ich-Erzählerinnen tauchen in einer anderen Geschichte erneut auf, die Schicksale überschneiden sich. Einige von ihnen sprechen als bereits Getötete. Ob Schuhverkäuferin oder Insta-Babe, ob in ausgelatschten Flip-Flops oder High-Heels von Dolce & Gabbana: Meist geraten sie an arschige und verwöhnte Nichtsnutze, die auf dicke Hose machen, sich aber in Sachen Verantwortung rausziehen. Oder die einfach Lust auf Gewalt haben. Wenn nichts mehr geht, wird halt erschossen. In Dahlia de la Cerdas Stories ist man da nicht zimperlich. Und die Frauen? Gleich zu Beginn steht die Schilderung einer selbst durchgeführten Abtreibung. Ein verzweifelter Akt nach einer ungewollten Schwangerschaft. Und gleichzeitig eine Selbstbefreiung, als ein blutiges Etwas im Klo abrauscht.
Richtig taff ist auch Karla, genannt „La China“, die für Pesos alles macht. Zwar landet die Informantin eines Drogenkartells zunächst im Knast, doch rekrutiert man sie dort bald als Soldatin für die Narco-Armee und sie darf ungehindert durchs Gefängnistor rausmarschieren. In einem freiwilligen brutalen Jahr wird sie zu einer Elitekillerin ausgebildet und lernt professionelles Leichenzerstückeln von einem Schweineschlachter. Dem Commandante gefällt’s, er engagiert Karla als Leibwächterin und BFF seiner verwöhnten Tochter Yuliana. Die bittet Karla, ihren Ex umzubringen, der ein selbstgerechtes Narco-Söhnchen ist. Auf die Gefahr hin, als zerstückelte Leiche von einer Brücke zu baumeln, packt Karla ihre Pistole ins Chanel-Handtäschchen …
Die Storys werden immer mehr zu einer Bitch-Bibel mit alttestamentarischem Splatter
Dahlia de la Cerdas mittreißende Storys im lässigen Plauderton werden immer mehr zu einer Bitch-Bibel mit alttestamentarischem Splatter. Regina ist mit Yuliana befreundet und als Tochter eines Politikers in Blümchenshorts und BMW-Cabrios aufgewachsen. Zum 17. Geburtstag badet das Babe in Moët, bekommt eine Bauchstraffung, Brustimplantate und an die Ärmchen den geilsten Shizzel von Dior. Unter den zehntausend Likes auf Insta ist auch Jesús, der verzogene Patensohn von El Comandante. Der schickt ihr dreitausend Rosen, und Regina öffnet ihm ihre zarten Erdbeerlippen. Doch schnell werden die Wangen rot und die Augen blau: Jesús rutscht öfter mal die Hand aus, und er muss nach jeder Ohrfeige die Wogen mit noch mehr Bling-Bling glätten. Doch seine Eifersucht wird manisch – und bald sitzt statt seiner Faust der Colt locker …
Auch Reginas Schwesterherz Constanza ist eine verzogene Princess. Für ihren Alabasterbody macht sie Bauch, Beine, Po und lässt sich bei Reggaeton den Calvin-Klein-Schlüppi von den Lenden reißen. Sie will jedoch keine Bübchen-Bumse sein, sondern macht sich einen zukünftigen Präsidenten klar. Für das blasse Blondchen ist komplettes Umstyling angesagt: die Haut bräunen, das Haar schokoladenbraun färben, und auf den Socials wird sie stubenrein. Da droht ein Journalist, das leichtsinnig aufgenommene Sex-Tape aus ihren wilden Zeiten zu leaken. Aber lässt man sich wegen einer Jugendsünde die Zukunft versauen?
Ein paar nette Dudes von nebenan wird Transfrau Julia abschleppen, zigmal vergewaltigen und mit dem Schraubendreher quälen
Transfrau Julia sieht für sich keine Zukunft. Sie träumt nur von 15-Zentimeter-Heels, wenn sie sich um die Weenies von Priestern und Politikern kümmert. Gegen Aufpreis gibt es Golden Shower und auch sonst alles, was die Kirche offiziell nicht so spritzig findet. Doch bibbern ihre aufgespritzten Lippen, wenn sie in knappem Fummel an Ecken steht, die so eisig wie eine Pinguinpussy sind. Ein paar nette Dudes von nebenan werden sie abschleppen, zigmal vergewaltigen, mit dem Schraubendreher quälen und schließlich mit ihrem Tanga erwürgen.
Die „Reservoir Bitches“ von Dahlia de la Cerda haben eindeutig Biss
Manchmal reicht aber schon ein Gebet, um sich von üblen Männern zu befreien. Natürlich sollte man dazu ein (männliches) Opfer darbringen. Oder man hofft auf die Macht der Magie, die entfacht wird, wenn man der richtigen Frau die Füße leckt. Hoffnungsvoll ist auch jene black Beauty mit wilden Afrolocken, die in einer Textilfabrik schuftet, um den Magen zu füllen. Da können die Kerle ja nicht anders, als bei ihrem Anblick wuschig zu werden. Nach einem Gangbang wird sie mitten in der Wüste liegengelassen. Doch wird sie auferstehen und als Untote rachsüchtig die Zähne fletschen … Ob als tragisches Opfer, unerschrockener Racheengel oder fiese Killerin, diese Bitches haben eindeutig Biss.
Mit „Reservoir Bitches“ hat es Dahlia de la Cerda auf unsere Liste der besten Krimis im Mai 2025 geschafft.