Residenztheater München: „Die Affäre Rue de Lourcine“ hat Premiere
Ans Residenztheater München bringt Regisseur András Dömötör die Komödie „Die Affäre in der Rue de Lourcine“. Wir sprachen mit ihm.
András Dömötör, in der Komödie von Eugène Labiche am Residenztheater München aus dem Jahr 1857 wacht ein Mann eines Tages auf. Er hatte offenbar des Nachts gesoffen und einen Mord begangen, kann sich aber an nichts erinnern. Dabei geht es natürlich um die Abgründe des Bürgertums – wie tief sind die heute noch?
András Dömötör: Das 19. ist das Jahrhundert, in dem Industrialisierung und Urbanisierung alles verändert haben. Das mündete in ein recht düsteres 20. Jahrhundert. Wir sind heute damit konfrontiert, dass auch das Gefühl von Frieden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Illusion war. Wir, als Gesellschaft, verhalten uns wie eine große Fabrik: Wir produzieren und konsumieren ohne einen Augenblick der Selbstreflexion und zerstören uns selbst. Es ist die Realität von Franz Kafka. Ich möchte nicht pessimistisch sein, aber ich sehe es wirklich so, dass das Düstere schon immer hinter der Fassade des „Bürgertums“ existierte und dass es in manchen Momenten sogar präsenter erscheint als 1857. Aber der Mensch ist auch eine so besondere und großartige Kreatur, dass wir beispielsweise Humor aufbringen, wenn wir über die Welt reden.
Als ich jung war, habe ich mich in einer Inszenierung von „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni schiefgelacht. Was ist das Geheimnis beim Inszenieren eines komischen Stückes?
Na, es bedarf verdammt guter Schauspieler:innen, die über Humor verfügen und das Geschick haben, den Bühnenrhythmus zu spüren. Dabei müssen sie sehr ernsthaft und präzise sein. Ernsthaftigkeit ist das Wichtigste. Jeder Moment muss innerhalb des Ablaufs der Aufführung kristallklar sein. Und all das muss am Ende zu einer großen anarchistischen Freiheit führen. Ich glaube an diese Energie. Diese unsichtbare, oft nicht erkennbare Freiheit, die von der Bühne kommen kann.
Residenztheater München: Die pure Magie des Theaters
Es gibt viel mehr dramatische Stücke an den Theatern als Komödien. Woran liegt das? Ist eine Komödie in ihrer Fähigkeit zum Durchdringen und Abbilden dem Drama unterlegen?
Für mich ist der entscheidende Unterschied, dass eine Komödie nicht an die Wandlungsfähigkeit des Menschen glaubt. Komödien zeigen Figuren, die niemals große Ziele verfolgen, sondern vor allem darum kämpfen, in ihr normales Leben zurückzukehren. Sie wollen nicht die Welt retten oder verändern. Sie wollen nicht für Ideologien sterben. Und geben wir es zu: Sie sind selten intellektuell. Sie lassen so viel vermissen, das wir im Theater so sehr lieben. Aber gute Komödien können radikal und provokativ sein, indem sie auf meist spielerische und direkte Weise bestimmte Probleme unserer Gesellschaft offenlegen. Gute Komödien können auch die theatralischsten Vorstellungen sein. Oft sieht man in Komödien die pure Magie des Theaters: Es gibt eine einfache Grundsituation, ein kleines Missverständnis, und daraus entsteht ein Tornado.
Braucht unsere kriegs- und krisengeplagte Gegenwart nicht eigentlich mehr komische Theaterstücke? Oder ist das dann Eskapismus?
Dömötör: Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten von Komödien und Humor. Humor kann schwarz sein und verzweifelt oder dabei helfen zu überleben. Das hat zum Beispiel in Ungarn eine große Tradition. Wir hatten in unserer Geschichte viele Phasen – in einer solchen befinden wir uns ja gerade wieder –, in der die Realität so absurd wurde, dass eine Farce der beste Weg ist, darüber zu sprechen. Ich möchte, dass auch die Inszenierung in München mehr ist als nur ein unterhaltsamer Abend. Das wird sicher auch vom Publikum erwartet.
Interview: Volker Sievert
„Die Affäre in der Rue de Lourcine“ hat am 18. November Premiere am Residenztheater in München. Weitere Aufführungen sind am 24. und 29. 11. sowie am 1., 8., 19., 22. und 31. 12.