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Robert Stadlober über sein Tucholsky-Album: Ein Exorzismus

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(Foto: Lars Dreiucker)

Er hat Tucholsky als Indiefolk vertont, um den Goebbels abzustreifen. Jetzt muss sich Robert Stadlober nur noch vor Sahra Wagenknecht in Acht nehmen.

Robert, ich unterstelle dir mal, dass Musik dich deutlich stärker politisiert hat als die Literatur.

Robert Stadlober: Ach nö, ich komme aus den 90ern, da hat das alles zusammengehört. Der sogenannte Diskurspop war ja tatsächlich sehr literarisch: Auf Thomas Bernhard bin ich über ein Spex-Interview mit Dirk von Lowtzow gekommen, und die Kritische Theorie wurden mir zu einem nicht unwesentlichen Teil von Leuten wie Jochen Distelmeyer und Knauf Rellöm vermittelt. Popkultur ist ja die allumfassende Wissenschaft, um die Welt zu verstehen. Rainald Goetz, das sind ja quasi Technoplatten auf Papier.

Von außen betrachtet wirkt es so, als hättest du Tucholsky-Texte als Indiefolksongs vertont, um den Goebbels abzustreifen.

Stadlober: Tatsächlich war es Joachim Lang, der Regisseur von „Führer und Verführer“, der mich gefragt hat, ob ich nicht ein Tucholsky-Programm machen will. Da habe ich erst noch so vorsichtig abgelehnt, weil ich gedacht habe: Tucholsky, was soll man dem noch hinzufügen? Das hat jeder Schauspieler mal gemacht, um in einer Kneipe aufzutreten. Irgendwann habe ich dann aber gemerkt, dass da mehr dran ist als diese lustig schmunzelnden Berliner Schnurren. Das sind auch Ebenen drin, die sehr viel mit mir und unserer Gegenwart zu tun haben –  natürlich auch mit diesem Mann, den ich da gespielt habe. Tatsächlich habe ich zwei, drei Wochen nach Ende des Drehs angefangen, die ersten Lieder zu schreiben. Letztendlich war das ein Exorzismus und gleichzeitig ein verspäteter Sieg Tucholskys über Goebbels.

Aus dem Kontext gerissen, sind einige Texte aber auch gefährlich. Zu „Nationale Verteidigung“ könnte etwa Sahra Wagenknecht auf die Bühne krabbeln und von Friedensverhandlungen mit Putin faseln.

Stadlober: Die Gefahr birgt der Pazifismus ja immer. Tucholsky war vor allem gegen Militarismus. Es gibt natürlich Momente in der Geschichte, in denen sich bestimmte Konstellationen verteidigen müssen. Im Zweifel auch mit Waffengewalt, denn sonst werden sie einfach umgebracht. Andererseits ist es auch absurd, wenn etwa Anton Hofreiter von den Grünen auf einmal jede Waffengattung kennt – und sie auch noch korrekt aussprechen kann. Wieso heißt das Tier Gepard eigentlich Geppard, wenn er zur Maschine wird und schießen kann?

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