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Rottet die Bestien aus! Das Herz der Finsternis schägt noch

Rottet die Bestien aus!
Der letzte Kampf von Annie, einer Angehörigen der Seminolen. Im Zuge der ethnischen Säuberungen durch die USA wurde diese Ethnie der Indianer Nordamerikas aus ihrer ursprünglichen Heimat vertrieben. (Foto: © Velvet Film)

Verstörend, aber notwendig: „Rottet die Bestien aus!“ auf Arte und in der Mediathek bildet und geht an die Nieren.

Der Regisseur Raoul Peck („Der junge Karl Marx“, „I am not your Negro“) hat für HBO und Arte den Vierteiler Rottet die Bestien aus! gedreht, die jetzt auf Arte gezeigt wird und dort auch in der Mediathek steht: Die Miniserie ist mehr als nur verstörend, sie soll wachrütteln und uns alle sensibilisieren. Worum geht es? Um nicht weniger als die Neuschreibung der Geschichte des Rassismus in all seinen Schattierungen, Auswirkungen, vor allem aber: um seine grausamen, menschenverachtenden Methoden der Unterdrückung, der Entwertung und der Auslöschung. Raoul Peck, gebürtiger Haitianer, bringt sich selbst in den Vierteiler ein, sein „Ich“ ist die Erzählinstanz, seine Erkenntnisse werden unsere Erkenntnisse.

Rottet die Bestien aus! springt in der Erzählung durch Zeit und Raum: Die Vernichtung der indigenen Völker Amerikas zieht sich durch alle vier Teile, genauso die Kolonialisierung Afrikas. Ausgangspunkt ist das titelgebende Zitat aus Joseph Conrads „Herz der Finsternis“, der Handelsagent Kurtz spricht es bei Conrad aus. Überhaupt verwendet Raoul Peck Conrads „Herz der Finsternis“ – es ist die Literatur gewordene kolonialistische Brutalität Belgiens im Kongo – als immer wiederkehrendes Motiv. Ähnlich baut er nur noch Bilder aus dem nationalsozialistischen Deutschland, Filmaufnahmen von Adolf Hitler oder aus dem Konzentrationslager Auschwitz, ein. Und hier beginnt auch das Problem mit Raoul Pecks Vierteiler.

Denn Rottet die Bestien aus! will nicht nur das Umschreiben der weißen Geschichtsschreibung hinsichtlich der kolonialistischen Vergangenheit vorantreiben – was dringend notwendig ist. Der Vierteiler macht darüber hinaus etwas, das man überall im Postkolonialismus wiederfindet: Er macht aus dem singulären Verbrechen gegen die Menschheit – der Vernichtung der Juden durch das nationalsozialistische Deutschland – eine Etappe in der Geschichte des Rassismus. Dass dies falsch ist und warum, zeigt gerade jetzt der ARD-Film „Die Wannseekonferenz“, der die Besprechung zur logistischen Planung der systematischen Vernichtung der Juden dokumentiert – in all ihrer Monströsität, ihrer Menschenverachtung und in ihrem bewussten Vorsatz.

Dabei hat der Vierteiler es gar nicht nötig, den Genozid zum Beispiel an den indigenen Völkern Amerikas mit der Vernichtung der Juden gleichzusetzen – was Rottet die Bestien aus! aber leider tut. Die Bilder, die Raoul Peck präsentiert, die Geschichten, die er erzählt, sind in ihrer eigenen Singularität so erschütternd, dass sie keinen Push benötigen. Sehenswert ist der Vierteiler auf jeden Fall, allerdings sollte man sich vorher oder hinterher die wichtigsten Positionen des Postkolonialismus und auch die Kritik am Postkolonialismus anlesen. jw

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