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„Blood Moon“ von Ry X: Allein, nicht einsam

Ry X Portraitfoto Rückenansicht mit Blumen
(Foto: BMG)

Ry X trauert auf „Blood Moon“ um verlorene Beziehungen – und zugleich feiert er seinen Schmerz als Weg zu einem neuen Liebesverständnis.

Ry X, so fragil und verletzlich wie auf deinem dritten Album „Blood Moon“ habe ich dich nie zuvor gehört.

Ry Cuming: Die Platte ist eine sehr zerbrechliche, ehrliche Auseinandersetzung mit mir selbst, sowohl auf klanglicher als auch auf inhaltlicher Ebene. Ich war während der Aufnahmen komplett allein, habe alle Instrumente gespielt und auch produziert. Als Künstler geht es mir um diesen sich intensivierenden Prozess. Sicherlich könnte ich erfolgreichere Platten veröffentlichen – nur würde das dann eben bedeuten, dass ich nicht mein Herz gebe.

Ry X, ist „Blood Moon“ eine Konzeptplatte über Liebe und Beziehungen?

Cuming: Die Platte setzt sich mit dem Konzept Liebe auseinander, geht aber über zwischenmenschliche Beziehungen hinaus. Die Beziehung zu mir selbst und meine Beziehung zum Göttlichen, zum Existenziellen sind für mich genauso zentral.

Ich würde dich als einen sad believer in love beschreiben.

Cuming: (lacht) Bedingungslose Liebe ist der Weg! Doch der Abschied von Konzepten des Besitzergreifens verlangt eine Akzeptanz, die ohne Verlust und Traurigkeit nicht zu haben ist.

Heißt das, du stellst Beziehungen generell in Frage?

Cuming: In meinen spirituellen Auseinandersetzungen beschäftige ich mich mit der Unbeständigkeit. Für mich ist sie die Wurzel von allem, was wir als Individuen erfahren, und sie bietet die Chance, gegenwärtiger zu leben und zu lieben. Deswegen sind sowohl das Ende von Beziehungen als auch das Sterben von Konzepten sehr zentrale Themen der Platte – aber auf eine schöne Art und Weise. Natürlich empfinde ich Liebe und auch tiefe Intimität, nur erwarte ich nicht, dass sie für immer Bestand haben.

Kompromisse und das Taktieren etwa im Hinblick auf das möglichst lange Fortbestehen einer Beziehung sind mit kompromissloser Liebe nicht vereinbar?

Cuming: Für mich ist die Beziehung mit mir selbst ganz zentral. Ich bin allein, aber ich fühle mich nicht einsam. Und weil ich keinen Mangel fühle, brauche ich auch niemanden, der etwas ausfüllt oder komplettiert. Ich will keine Zugeständnisse machen und etwa etwas aufgeben, um dafür etwas anderes zu bekommen. Wenn du jemanden magst, sollte es um Integrität, Einfühlung und Mitgefühl gehen. All das schwingt mit, wenn ich eine Zeile wie „I don’t wanna let you go“ singe. Der Weg zu dieser Akzeptanz ist schmerzhaft, aber er fühlt sich für mich richtig an.

Wenn ich heute deinen ersten großen Hit „Berlin“ höre, stimmt er mich noch melancholischer. Ich sehne mich nach der Stadt von vor zehn Jahren zurück, und die Zeile „I don’t wanna let you go“ passt da auch.

Cuming: Ich kann deinen Kummer nachvollziehen. In der Zeit, als ich in Berlin gelebt habe, war die Stadt ein ganz besonderer Ort für mich, und ich spüre noch immer eine tiefe Verbindung. Berlin ist eines meiner Zuhause in der Welt. Aber auch ich bemerke die Veränderung. Die Gentrifizierung ist nicht aufzuhalten, aber ich will diese Bitterkeit nicht zulassen, die mich ermattet und abstumpfen lässt. Ich liebe Berlin für das, was es heute ist. Es ist wie mit den Liebeskonzepten: Wenn wir alles festhalten wollen, kommen wir aus dem Schmerz nicht mehr raus.

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