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Sagt mal, von wo kommt ihr denn her?

Rhiannon Giddens und Francesco Turrisi vor einem braunen Hintergrund
(Foto: Ebru Yildiz)

Rhiannon Giddens und Francesco Turrisi haben auf den ersten Blick wenig gemein. Doch mit ihrer Mischung aus italienischem, amerikanischem und irischem Folk überwinden sie Zeit und Raum.

Zum ersten Mal haben Rhiannon Giddens und ihr Partner Francesco Turrisi 2019 zusammengearbeitet. Das Ergebnis war ihr gemeinsames Album „There is no Other“. Bereits da haben sich die beiden mit den Folktraditionen ihrer Heimat auseinandergesetzt – und auch auf „They’re calling me Home“ ist Heimat ein zentrales Thema.

Eine Dringlichkeit, die nicht zuletzt der Coronapandemie geschuldet ist. Wir haben mit Rhiannon Giddens über die Bedeutung von Heimat gesprochen, über ihr anhaltendes Interesse an Folktraditionen aus aller Welt und über das Potenzial, Menschen miteinander zu verbinden, das Folkmusik gerade jetzt hat.

Rhiannon Giddens im Interview

Rhiannon, für „They’re calling me home“ hast du zum zweiten Mal mit deinem Partner Francesco Turrisi zusammengearbeitet. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Rhiannon Giddens: Francesco hat meine Band, die Carolina Chocolate Drops, schon vor Jahren kennengelernt. Er hat mich kontaktiert, weil er der Meinung war, dass unsere Musik gut zusammen funktionieren würde, und weil wir beide in Irland leben. Aber daraus hat sich zunächst nichts weiter ergeben. Vor etwas über drei Jahren hat er sich dann wieder bei mir gemeldet, und diesmal standen die Sterne wohl einfach richtig.

Ihr beide setzt euch schon lange intensiv mit ganz unterschiedlichen Musiktraditionen auseinander. Was habt ihr gemeinsam?

Giddens: Im Bezug auf die Stile, die wir spielen, und unsere Biografien gibt es eigentlich gar keine Gemeinsamkeiten. Aber unter anderen Gesichtspunkten haben wir doch sehr viel gemein: Wir haben etwa beide an Musikhochschulen studiert – er Jazz, was mein kultureller Background ist, und ich italienische Oper, was ja eigentlich sein Ding ist. Für uns ist es aber weniger wichtig, was wir spielen. Was zählt, ist die Herangehensweise und die Absicht.

Heimat ist ein zentrales Thema auf „They’re calling me home“. In der Pandemie hat Heimat allerdings auch eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Giddens: Ja. Durch die Pandemie hat sich unser Verhältnis zu unserer Wahlheimat Irland grundlegend verändert: Es ist etwas ganz anderes, woanders zu leben, wenn man die Möglichkeit nicht mehr hat, jederzeit nach Hause zu fahren. Vieles an meiner Heimat wusste ich erst zu schätzen, nachdem ich sie verlassen hatte – das erhält jetzt ganz andere Dimensionen. Wir haben versucht, uns unsere Heimat nach Irland zu holen. Ich habe gelernt, Gerichte aus dem Süden zu kochen, und Francesco hat sich eine Espressomaschine gekauft, um sich ein Little Italy zu erschaffen. (lacht) Das gleiche haben wir mit der Musik gemacht: Wir haben uns an unsere musikalischen Anfänge zurückerinnert.

Dabei seid ihr auf Songs wie „O Death“ gestoßen, die sehr alt sind – und die doch nahtlos an die Welt anschließen, wie wir sie heute erleben. Glaubst du, Folkmusik hat ein größeres Potenzial dafür, Menschen miteinander zu verbinden?

Giddens: Ja, absolut. Zum einen, weil sie Melodien und Strukturen enthält, die überall auftauchen und so viel beeinflusst haben. Zum anderen, weil sie Themen anspricht, die zeitlos sind und uns mit – einander und auch mit unserer Vergangenheit verbinden. Dabei muss ich an einen Song von „They’re calling me home“ denken: „Waterbound“, ein Traditional aus dem Amerikanischen Süden. Francesco und ich haben es zusammen mit Niwal gespielt, unserem Gitarristen, der aus dem Kongo stammt und auch in Irland lebt: wir drei, zusammen auf einer Insel, von der niemand von uns stammt.

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