Kleine Gefühle
Lange Zeit dachte Sarah Lesch, es wären die großen Gesten, mit denen sie ihr Publikum erreicht.
Vor vier Jahren hat Sarah Lesch mit ihrem Song „Testament“ für eine Kontroverse gesorgt, weil er ohne ihre Absicht auch Rechtsextremen gefiel. Doch davon beirren lassen hat die Musikerin sich nicht: Heute sind ihre Texte offener als je zuvor. Auf ihrem neuen Album erzählt sie die kleinen Geschichten aus ihrem Alltag – was durchaus Überwindung kostet, wie sie im Interview erzählt.
Sarah, dein neues Album heißt „Der Einsamkeit zum Trotze“. Dabei geht es aber in vielen Liedern um Aspekte der Zweisamkeit. Also meinst du eher eine grundlegende, existenzielle Einsamkeit?
Tatsächlich bin ich durch eine sehr, sehr einsame Zeit gegangen. Allerdings geht es wirklich weniger um konkretes Alleinsein, denn in den letzten Jahren waren mehr Menschen um mich als jemals zuvor. Ich habe mich in mich selbst zurückgezogen. Als Musikerin war ich nur noch unterwegs. Gleichzeitig musste ich lernen, damit umzugehen, dass viele Leute mich als Projektionsfläche sehen oder mich besonders toll finden. Das kann auch einsam machen.
Du bist in deinen Liedern sehr offen und verletzlich. Kann man sich daran gewöhnen, oder kostet es immer wieder Überwindung?
Einfacher wird es jedenfalls nicht. Ich erlebe mein Leben immer in Phasen oder Zyklen. Es gibt dann so Momente, in denen ich merke: Mir geht es nicht gut, aber ich weiß noch nicht, woran es liegt. Ich brauche erst die Songs, damit sie es mir erklären. Wenn ein Lied dann da ist, habe ich nicht mehr den Stress, darüber reden zu müssen; ich freue mich sogar, es zu teilen. In den letzten Jahren hat mich die Öffentlichkeit allerdings ein bisschen scheu gemacht. Ich musste erst den Mut wiederfinden, die ganz kleinen, verborgenen Geschichten zu erzählen – wie zum Beispiel in dem Lied über meinen Opa.
… „Tod eines freundlichen Riesen“ …
Genau. Darin geht es um ein sehr zartes, feines Gefühl. Man sitzt gemeinsam in der Stube und erkennt: Ich muss immer an den Tod denken und daran, dass ich ihn irgendwann verliere. Zum Glück hatte ich einen ganz tollen Produzenten – ich habe ihm das Lied vorgespielt, und wir waren beide sehr ergriffen. Er war es, der dann gesagt hat: Das kommt auf jeden Fall auf die Platte. Du musst es nicht noch künstlich aufblasen, dieses kleine Gefühl reicht total. Das ist mir früher leichter gefallen. Mit dem Erfolg kommt der Gedanke, dass man alles größer und geiler machen muss, damit es ausreicht. Dabei ist das natürlich Unsinn, denn genau diese Alltagsgeschichten haben ja erst zum Erfolg geführt.