Schloss Gottorf: Joana Vasconcelos stellt ihre Walküren aus
Joana Vasconcelos macht feministische Kunst, die eine rundum sinnliche Erfahrung ist. Jetzt zu sehen und nicht zu verpassen im Schloss Gottorf.
Niki de Saint Phalle hatte ihre Nanas, Joana Vasconcelos hat ihre Walküren, riesige Skulpturen aus Stoffen, Spitzen, Stickereien, Wolle, Pailletten, Perlen, Federn und LEDs, die gerade erst in den Uffizien hingen – neben Werken von Leonardo da Vinci, Michelangelo oder Caravaggio. Doch man muss nicht nach Italien reisen, um diese beeindruckende, im übertragenen und wortwörtlichen Sinne große Kunst zu sehen: Was eben noch in Florenz hing, ist aktuell ganz nah im Schloss Gottorf in Schleswig, in der Schloskapelle, im Kreuzstall, in der Reithalle und in weiteren Räumen. „Le Château des Valkyries“ ist die erste große Schau von Vasconcelos in Deutschland.
Mit de Saint Phalles Nanas verbindet Vasconcelos, dass beide mit ihren voluminösen Plastiken (de Saint Phalle) und Installationen (Vasconcelos) die starke, selbstbestimmte, ungehemmt weibliche Frau und die Body Positivity feiern. Nicht zufällig ist der Begriff Barock bei Vasconcelos von zentraler Bedeutung: Barocke Opulenz und Sinnlichkeit verbinden sich bei ihren Walküren mit selbstbewussten Statements von Weiblichkeit, Emanzipation und Feminismus. Vasconcelos arbeitet dabei stets mit Leuten zusammen, die auf ihrem Gebiet spezialisiert sind und bestimmte Techniken besser beherrschen als Vasconcelos selbst: Schlosser, Zimmerleute, Elektriker, Ingenieure, Architekten, Dokumentaristen oder Archivare; auch bei Kunsthandwerken wie Sticken, Nähen und Stricken sucht sich die Künstlerin Fachkräfte. Die traditionellen, portugiesisch geprägten Handwerkskünste arbeitet Vasconcelos in ihre zeitgenössische Kunst ein und gibt ihnen eine moderne Form.
Die Themen, die in Vasconcelos Arbeit einfließen, horchen am Puls der Zeit: Liebe, Leben, Tod, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, der soziale Druck, Mutterschaft, Hausarbeit, Arbeit und Sexualität miteinander zu vereinbaren, die Unterordnung der Frau in der Kunstwelt. Die Kunst dazu ist nie verkopft: Zwei riesige Highheels aus Kochtöpfen, ein Kronleuchter als 25 000 Tampons, ein Herz aus rotem Plastikbesteck – Vasconcelos Kunst ist keinesfalls alltäglich, sie ist aber oft aus Materialien unseres Alltags gefertigt und bleibt somit trotz übergeordnetem Konzept besonders zugänglich und überraschend. Vasconcelos wichtigste Werte bei ihrer Kunst sind, Mitgefühl, Liebe und Toleranz, wie sie sagt.
Mit ihren Skulpturen und Installationen drückt die 52-jährige Portugiesin einen dezidiert feministischen Gedanken aus: Frauen können sein, was sie wollen, nicht nur das, wozu man sie bestimmt hat. Sie will dabei aber niemandem etwas aufdrängen, sondern „die Vielseitigkeit eines jeden Menschen spürbar machen“, wie sie in einer Arte-Dokumentation sagt. Nicht umsonst heißt Vasconcelos Tochter Alice, nach „Alice im Wunderland“, die sich im Buch ja auch auf einem wandelreichen Trip zu sich selbst befindet, zu ihren möglichen Formen und Identitäten, zu dem, was und wer sie sein will. Mehrdeutigkeit ist auch das Konzept von Vasconcelos Arbeiten. Privates und Öffentliches, häuslicher und städtischer Raum, das Männliche und das Weibliche, nicht zuletzt glücklich und unglücklich: Diese Dualitäten finden sich in Joana Vasconcelos Werken – um ein Bewusstsein zu schaffen für eine andere Sicht auf die Welt.
Hier gibt es eine kurze Doku über Joana Vasconcelos in der Arte-Mediathek.
Check-Brief Joana Vasconcelos
- Geboren 8. November 1971 in Paris
- Wurde berühmt mit einer fünf Meter hohen Konstruktion aus 25 000 Tampons (Biennale 2005)
- War die erste Frau, die eine Biennale-Ausstellung kuratierte, die erste Frau, die im Schloss von Versailles ausstellte, und die erste portugiesische Künstlerin mit einer Einzelausstellung im Guggenheim Bilbao
- Schafft vor allem Skulpturen und Installationen, aber auch Videos, Fotografien und Performances
- Baut Handarbeitstechniken wie Häkeln oder Nähen in ihre Kunst ein
- Markenzeichen Opulente Skulpturen aus Alltagsgegenständen wie Kochtöpfen, Zierdecken oder Plastikbesteck
- Wurde bisher mit über 30 Kunstpreisen ausgezeichnet