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Der Kabarettist Serdar Somuncu hört auf: Abschiedstour mit „Das vierte Reich“

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Serdar Somuncu will nach der Tournee mit seinem neuen Programm „Seelenheil – Das vierte Reich“ seine Kabarettkarriere an den Nagel hängen. (Foto: Paul Schirnhofer)

Der streitbare Kabarettist Serdar Somuncu hört auf: „Seelenheiler – Das vierte Reich“ wird sein letztes Programm sein, mit dem er auf Tour geht. Somuncu, der auch als Autor, Produzent und Regisseur arbeitet, wird also nur die Bühnenrampe aufgeben. Es ist dennoch ein Verlust.

Serdar Somuncu hat angekündigt, mit „Seelenheiler – Das vierte Reich“ seine letzte Tournee zu bestreiten, danach sei Schluss, sagt der 55-jährige Kabarettist.

Somuncus Kritik an den Medien und an die vermeintliche Mehrheitsgesellschaft, die er aktuell zugespitzt auf die rot-grün-gelbe Regierungspolitik und deren gesellschaftliche Basis anwendet, hat er bereits in Bezug auf sein damaliges Programm hier im kulturnews-Interview Anfang 2020 vorgetragen. Somuncu, der schon immer bestens verstand auszuteilen und auch entsprechend einsteckte, erfuhr in den vergangenen Jahren immer mehr Gegenwind, ohne dass er sich geändert hätte: Die Zeiten sind vollkommen andere, die Trennung von Person und Bühnenrolle wird immer häufiger nicht mehr wahrgenommen oder ausgehebelt mit dem Argument, gewissen Aussagen würden – egal ob Person oder Rolle – lediglich Stereotype reproduzieren und damit verfestigen: Eine Katastrophe für die Uneigentlichkeit der Bühnenfiguren. Sogar Gerhard Polt, einer der nach wie vor besten Mimen des Genres, musste sich schon Belehrungen anhören.

Doch Serdar Somuncus kann auch gewaltig übers Ziel hinausschießen. Dass der frühere Hitler- und Göbbels-Rezitator – der damals wegen Drohungen aus rechtsradikalen Kreisen häufig unter Polizeischutz und in kugelsicherer Weste auftrat – heute den Begriff des Faschismus ins Feld führt, wenn er das aktuelle Klima im gesellschaftlichen Diskurs kritisiert, muss man zurückweisen. Dass in der Coronapolitik durchaus Fehler gemacht wurden: geschenkt. Dass grüne Politik sich heute gerne auf Nebenschauplätzen präsentiert und auf den Hauptschauplätzen in der Koalition einknickt (weil sonst die Koalition auseinanderbräche), wissen alle politisch leidlich Interessierten. Dass Linke von der SPD über die Grünen bis hin zu vielen aus der Partei Die Linke nicht das gesamte linke Spektrum ausmachen, wohl aber so tun als ob: Vor allem diese Tatsache müsste in der Tat viel öfter und diskutiert werden. Mit dem Faschismusvorwurf aber ist hier absolut nicht gedient.

Der Titel des neuen Programms ist deshalb natürlich eine absolute Provokation: „Seelenheiler – Das vierte Reich“ heißt es und meint, was es sagt – abzüglich der typischen Sumuncu’schen Übertreibung. Wenn man ihn nicht so gut kennen würde in seinen nüchternen politischen Analysen, in seinern grammatikalisch perfekt gesetzten Argumentationen, in seiner völligen Entspanntheit (auch das kann Somuncu) – man könnte ihn nur aufgrund des Programmtitels irgendwo zwischen den Coronaleugnern und sonstigen weinerlichen Rechtsradikalen einordnen. Man möchte meinen, der Kabarettist setze sich absichtlich diesem Missverständnis aus, was schade ist. Dabei ist Serdar Somuncu nicht nur analytisch bestens aufgestellt, sondern auch ein hervorragender Satiriker und vor allem: ein politisch absolut integrer Mensch. Und nicht zuletzt ein Linker mit dem Mut zum Widerspruch in den eigenen Reihen.

 

 

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