Sigur Rós
Vor zwei Jahren veröffentlichten die vier Isländer von Sigur Rós das Album „Agaetis Byrjun“ und eroberten zahllose Herzen mit sinfonischem SloMo-Rock, Elektronik-Strukturen und androgynem Gesang. Jetzt sind Sigur Rós mit neuem Album zurück in deutschen Clubs. citymag sprach mit Keyboarder Kjartan Sveinsson und Schlagzeuger Orri Pall Dyrason über Fantasiesprachen, Island-Touristen und deutsche Krimihelden.
citymag: Orri, das aktuelle Sigur-Rós-Album trägt den Namen „( )“. Wie sprecht ihr selbst denn diesen merkwürdigen Titel aus?
Orri Pall Dyrason: Wir haben keinen Namen für das Album und wollen es den Hörern selbst überlassen. Ein Titel hätte Bedeutung und Thema der Platte vorgegeben. Die einzelnen Lieder haben ja schließlich auch keine Namen, und unser Sänger Jon Thor Birgisson singt in einer Fantasiesprache: Hopelandish.
citymag: Und jetzt sollen eure Fans die Texte zu den neuen Songs schreiben?
Dyrason: Im Internet kann jeder seine eigenen Eindrücke und Gedanken zu unserer Musik aufschreiben. Auf der Homepage haben wir ein Programm, das die am häufigsten benutzten Wörter errechnet und diese dann zu Texten zusammenfügt.
citymag: Verzichtet ihr ohne Texte nicht auf ein wichtiges künstlerisches Ausdrucksmittel?
Kjartan Sveinsson: Auf unseren ersten beiden Alben gab es ja Texte. Im Moment haben wir zusätzlich zur Musik nichts zu sagen. Das kann sich aber sehr schnell ändern. Vielleicht veröffentlichen wir zum nächsten Album ein ganz dickes Buch mit Texten.
citymag: Für eure Videoclips erhaltet ihr viele Auszeichnungen. Warum habt ihr darauf nicht verzichtet, wo doch schließlich gerade Videos den Songs eine konkrete Bedeutung zuschreiben?
Sveinsson: Unsere Videos reflektieren nicht den Inhalt der jeweiligen Songs, sondern sind unabhängige Ideen, die mit den Liedern rein gar nichts zu tun haben. Erst wenn wir unsere Ideen für einen Clip ausgearbeitet haben, wählen wir einen Song dazu aus.
citymag: Betrachtet ihr Musiktauschörsen im Internet als finanzielle Bedrohung?
Dyrason: Nein, in der Metallica-Liga spielen wir nicht. Es sind wohl immer die reichsten Musiker, die am lautesten schreien. Da unsere Musik vom Mainstream-Radio ignoriert wird, haben wir hier die Chance, neue Hörer zu erreichen.
citymag: Eure Musik klingt sehr melancholisch. Seid ihr wirklich alle nachdenkliche Menschen?
Sveinsson: Natürlich gibt es melancholische Momente in unserem Leben. Da übt dann sicher auch Island einen Einfluß aus, denn es ist ein sehr kaltes und dunkles Land. Mit unserer Musik haben wir die Chance, diese Momente aufzufangen und zu verarbeiten. Allerdings erzeugt auch das Musikbusiness häufig melancholische Stimmungen. Man muss zum Beispiel Interviews geben … – Nein, im Ernst: Mit unserer Musik drücken wir auch freudige Momente aus. Überhaupt sind wir gar nicht so todernst, wie alle immer denken. Wir lachen viel und reden gern stundenlang Blödsinn.
citymag: In Deutschland gibt es gerade einen Island-Boom. Viele Leute begeistern sich für die Musikszene und fahren nach Reykjavik.
Dyrason: Ja, jeden Sommer kommen mehr Touristen nach Island. Deutsche Urlauber sind da aber nicht so auffällig. Wir haben in Island verdammt viele amerikanische Touristen.
citymag: Also gibt es vor euren Häusern noch keine schreienden Fans mit Fotoapparaten?
Dyrason: Neulich stand tatsächlich eine Japanerin vor dem Haus meiner Ex-Freundin und fragte nach mir. Und unser Sänger erzählt von gelegentlichen Telefonanrufen. Aber das sind Ausnahmen. Island ist da ein wirklich angenehmes Land. Sogar Björk kann in Reykjavik die Straße entlang gehen. Zumindest die Isländer lassen sie in Ruhe.
citymag: Wollt ihr denn während der Tour in Deutschland bestimmte Dinge ansehen oder Leute treffen?
Sveinsson: Derrick kommt aus München, oder? Dann spielen wir unser Konzert in München für Derrick. Wir sind große Fans und verpassen im isländischen Fernsehen keine Folge. Kennt ihr die Episode, in der Derrick im Krankenhaus liegt und Harry Klein den Fall lösen muss? Das ist meine absolute Lieblingsfolge.
Interview: Carsten Schrader
15. 2. Kampnagel, Hamburg
20. 2. Arena, Berlin
21. 2. Herkulessaal, München
23. 2. Phönixhalle, Mainz