sir Was: Digging a Tunnel
Mit seinem Musikprojekt sir Was ist der Schwede Joel Wästberg unberechenbar. Als Gesprächspartner allerdings noch viel mehr.
Der studierte Saxofonist Joel Wästberg ist für jede Überraschung gut. Statt im Interview brav alle Fragen am Telefon zu beantworten, legt er plötzlich den Hörer hin und man hört ihn irgendwie im Hintergrund hantieren. Dann ruft er noch etwas Unverständliches – und plötzlich schallt ohrenbetäubend laut der Song „There must be an Angel“ von den Euythmics aus der Leitung. Was Wästbergs wohl damit sagen will: Er liebt eingängige Popmelodien. Die sind auf seinem Debüt als sir Was allerdings sehr viel hintergründiger als im Radiopop der 80er. Der Schwede vermengt auf „Digging a Tunnel“ Jazz, Soul, HipHop, Pop, Elektro und obendrauf noch eine Spur Worldbeat.
Hintergründigkeiten hin oder her, für Wästberg ist da locker noch Platz für weitere Unvorhersehbarkeiten: „Ich liebe Field Recordings”, sagt er und verweist auf die zahlreichen Geräusche von murmelnden Menschen, heulenden Sirenen oder Glockengeläut, die „Digging a Tunnel“ außerdem noch bevölkern. „Sie geben der Musik mehr Facetten, machen sie gehaltvoller“, schwärmt er. Und der Dudelsack? „Den verdanke ich ebenfalls meinen Streifzügen durch die Städte dieser Welt“, antwortet der Musiker, der auch bei José Gonzáles Band Junip trommelt. „Auf einem Platz in Madrid sah ich diesen Dudelsackspieler und nahm ihn mit dem Handy auf. Als ich mir die Aufnahme später zuhause anhörte, musste ich das einfach verwenden.“
Wästberg entscheidet intuitiv. Auch in seinen Sätzen wechselt er mehrmals die Richtung, bringt einen Gedanken ein, springt zum Nächsten und hält dann verwundert inne. Um so erstaunlicher ist es, das seine Songs so stringent sind. Trotz ihres Facettenreichtums, webt „Digging a Tunnel“ ein atmosphärisch dichtes Netz, das keinen Grund für Ausreißer gibt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Wästberg lange gezögert hat, die Saxofonkarriere zugunsten von sir Was und der eigenen Songs aufzugeben. „Ich bin irgendwann an den Punkt gekommen, an dem es für mich ungesund geworden wäre, nicht mit meiner Musik an die Öffentlichkeit zu gehen“, gibt er zu und klingt das erste Mal wirklich präsent. Geht doch!
Carsten Schrader und Verena Reygers