Preis der Jury für „Sirāt“: Sonne, Sand und Raver

Nie wurde die marokkanische Wüste musikalisch so bespielt wie in Óliver Laxes Film. Das außergewöhnliche Roadmovie „Sirāt“ kann jetzt in den Kinos gesehen werden.
Marina ist verschwunden, ihre Familie sucht sie schon seit Monaten. Eine Spur führt nach Nordafrika, zu den Ravern, die dort sonnenverbrannt im Nichts durch die Tage stampfen. Für Luis und Esteban beginnt eine Odyssee in den Staub der marokkanischen Wüste. Der Film „Sirāt“ startet in den Kinos, Simon Bethge hat ihn schon für uns gesehen.
Der Sound, oh, der Sound. Eine Verstärkerwand auf der einen, eine aus Fels, stumm, urzeitlich, auf der anderen Seite. Dazwischen: die Raver. Verdreckte, sonnenverbrannte Gestalten mit Dreadlocks, kaputten Strumpfhosen und asymmetrischen Frisuren. Ihnen fehlen Zähne, Beine, einem die Hand. Trotzdem stampfen sie, versinken im Bass. Und bemerken den Dicken (Sergi Lopez, „Pacifiction“) und seinen Sohn kaum, die sich da mit Handzetteln durch die Menge quetschen, „Habt ihr Marina gesehen? Sie ist meine Tochter, sie ist verschwunden.“ Kopfschütteln, Achselzucken, Unverständnis liegt im zugedrogten Blick. Dann aber – eine Spur: Jade und ihre Gang von Punkpiraten kennen Marina zwar auch nicht, aber zur nächsten illegalen Party ist es nicht weit, vielleicht hätte man da mehr Glück. Und da die Armee ohnehin gerade den Rave auflöst, schließen sich Luis und Esteban kurzerhand der ausscherenden Karawane an. Ebenso monumental wie polarisierend ist „Sirāt“ geraten, der Film des Franzosen Óliver Laxe, der damit in Cannes den Preis der Jury gewann. Durch den Staub, die Zerklüftungen, das Nichts der marokkanischen Wüste treibt er seinen Ensemblecast, während an den Landesgrenzen der diffuse Weltenbrand dräut, und das ärgste Problem der mikrokosmischen Spaßgesellschaft in ihren Panzertrucks ist der Hund, der sich am LSD-versetzten Kot den Magen verdorben hat. 120 Minuten Dröhnen, Hitze, Highs, an deren Ende mehr Fragen als Antworten stehen.