Die Ibiza-Affäre
Bei dem globalen Pop-Entwurf der Schweizer Formation Sirens Of Lesbos ist so ziemlich jede Referenz willkommen. Einzige Ausnahme: ihr erster, großer Hit.
Arci, Nabyla, mit Sirens Of Lesbos seid ihr weniger eine Band, sondern eher ein offenes Kollektiv mit fünf festen Kernmitgliedern, oder?
Arci Friede: Angefangen hat es als Studioprojekt. Zunächst waren wir fünf Leute, die zusammen Musik machen wollen. Nach und nach ist daraus eine Band entstanden, weil wir uns auch auf der Bühne präsentieren wollten. Aber das hat bei uns ziemlich lange gedauert.
Nabyla Serag: Heute ist die Idee schon sehr wichtig, auch als Kollektiv funktionieren zu können. Trotzdem ist die Basis immer noch unsere Fünferkonstellation. Es kommt immer auf die Situation an. In meiner Wahrnehmung pendeln wir zwischen Band und Kollektiv.
Angefangen hat es bereits im Jahr 2014, als ihr mit „Long Days, hot Nights“ einen riesigen Major-Label-Ibiza-Hit gelandet habt. Wie fühlt es sich an, wenn ihr den Song heute hört?
Friede: (lacht) Das ist ein Track aus einem anderen Leben. Wenn ich über Sirens Of Lesbos nachdenke, wenn ich Texte schreibe oder mit den anderen im Studio bin, dann spielt dieses Stück überhaupt keine Rolle. Ich höre den Track ehrlich gesagt auch nie. Er hat mit unserer Gegenwart nichts zu tun. Künstlerisch gehen wir heute ja an ganz andere Orte.
War das damals eine Mischung aus Trotz und Abenteuerlust, dass ihr einfach mal nach Erfolgsschema gearbeitet habt?
Friede: Als der Song entstanden ist, gab es Sirens Of Lesbos noch gar nicht. Wir kannten uns zwar alle schon und waren lose miteinander verbunden, aber das Stück war noch eine Sache von Melvyn und mir. Nach Jahren im Studio ohne größeres Feedback und kommerziellen Erfolg wollten wir einfach mal Formelmusik machen. Wir haben Jasmina gefragt, ob sie den Text einsingt – und dann ist das Stück plötzlich abgegangen. Wir hätten ja nie damit gerechnet, dass das wirklich so funktioniert! Diese Musik war nie wirklich unser Ding, aber nach der Veröffentlichung war uns klar, dass wir in dieser Konstellation etwas machen wollen, was uns wirklich weiterbringt. Wir haben den Vorschuss der Plattenfirma angenommen und damit eigentlich das angestoßen, wofür Sirens Of Lesbos heute steht.
Auf eurem Debüt „SOL“ kombiniert ihr ganz unterschiedliche Einflüsse aus Soul, Jazz, Rock und HipHop zu einem ganz und gar eigenen, globalen Pop-Entwurf. Mit der Single „How many Miles“ transformiert ihr sogar Yacht-Rock ins Jetzt.
Serag: Wir decken in der Band eine ziemliche Bandbreite an musikalischen Einflüssen ab. Oft bilden sich dann verschiedene Fraktionen, und dann wird wild diskutiert, ob wir das machen sollen oder nicht. Melvyn ist ein riesengroßer Fan von so Sachen wie Steely Dan, während ich eher vom R’n’B und Trap komme. Aber ich brauchte mal ein bisschen Abstand und etwas Neues. Durch das Yacht-Rock-Revival und die vielen Re-Issues habe ich erstmals so richtig einen Zugang zu dieser Musik gefunden, und als Melvyn uns dann das Demo von „How many Times“ vorgespielt hat, da hat es für mich perfekt gepasst.
Wenn man das so hört, bekommt man richtig Lust, mit euch im Studio über Musik zu diskutieren.
Serag: Es ist sweet, weil man mit Klängen in Berührung kommt, mit denen man ohne die Bandkolleg*innen nie in Berührung gekommen wäre. Aber es gibt oft auch sehr verbissene Diskussionen – und das ist gut so und muss auch so sein.