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So schön simpel: Horsegirl im Interview zu „Phonetics on and on“

Alle drei Mitglieder von Horsegirl stehen nebeneinander: Nora Cheng, Gigi Reece und Penelope Lowenstein (v.l.n.r.)
Die drei Horsegirl-Mitglieder Nora Cheng, Gigi Reece und Penelope Lowenstein (v.l.n.r.) vermissen manchmal ihre Heimatstadt Chicago. (Foto: Eliza Callahan)

Das Postpunktrio Horsegirl gönnt sich auf seinem zweiten Album eine Menge Pop – und das ist ausgerechnet einer feministischen Dichterin geschuldet.

Gigi, Penelope, Nora, als ihr euch in der Chicagoer DIY-Szene kennengelernt habt, wart ihr noch auf der Highschool. Habt ihr bei der Produktion eures zweiten Albums „Phonetics on and on“ Druck verspürt, diese jugendliche Unbedarftheit wiederbeleben zu müssen?

Nora Cheng: Es fühlt sich irgendwie süß an, „Versions of modern Performance“ heute zu hören.

Gigi Reece: Und es klingt überhaupt nicht mehr so, wie wir heute über Musik denken. Wir haben diesmal zum ersten Mal Songs für ein Album und ein Publikum geschrieben. Das hat uns eher Sicherheit gegeben, mit einem Selbstverständnis als Musikerinnen ins Studio zu gehen und nicht als Highschool-Teenager, die auch Musik machen.

Penelope Lowenstein: Wir wissen, was wir wollen. Auch, weil einige Zeit verstrichen ist und wir fürs Literatur-Studium nach New York gezogen sind.

Doch für „Phonetics on and on“ seid ihr wieder zurückgekehrt. Was kann Chicago, was New York nicht kann?

Lowenstein: Wir leben schon noch alle in New York, werden aber ganz bestimmt irgendwann wieder nach Chicago ziehen.

Reece: Offensichtlich ist Chicago ein super wichtiger Ort für uns. Was wir allerdings erst durch den Umzug so richtig verstanden haben.

Lowenstein: In Chicago ist es auch einfacher, Künstlerin zu sein. Also finanziell. Die DIY-Orte halten in New York keinen Monat.

Mit „Phonetics on and on“ habt ihr viel mehr Pop gewagt als zuvor.

Reece: Wir haben uns viel mit Popsongstrukturen beschäftigt und wollten Songs schreiben, die angenehm zu hören sind.

Lowenstein: The Velvet Underground ist ein gutes Beispiel. Die verbinden irgendwie beides: Lärm und Schönheit. Zuletzt habe ich sogar viel Al Green gehört.
Dabei wurdet ihr in Deutschland ihr nach eurem Debütalbum „Versions of Modern Performance“ als die Retterinnen des Punk gehandelt.

Reece: Wir fühlen uns nicht mal mehr wie Punks. Kindheit und Punk sind irgendwie synonym. Und bei unserem ersten Album waren wir halt noch Kinder.

Lowenstein: Wir wollen auch keine Musik aus der Vergangenheit machen, sondern unseren eigenen Weg finden.

Auch die Texte dürften dieses Label zunehmend schwer machen. Kaum einer der neuen Songs kommt ohne ein „Da-da-da“ oder „Do-do-do“ aus. Und der Albumtitel verrät, dass dies Teil eines Konzeptes sein könnte.

Cheng: Phonetik fasst sehr gut zusammen, wie wir über Musikstruktur denken. Phonetik bildet Sprachblöcke. Simpel, aber stark. Ein bisschen wie Pop.

Reece: Es geht um universelle Gefühle. Wir sind zur Wurzel von Musik und Ausdruck vorgedrungen.

Lowenstein: Oder haben es zumindest versucht. (lacht)

Cheng: Auf „Wigwam“ singt Bob Dylan etwa nur Da-da-da. Viele verstehen das als Witz – ich nicht. Diese Silben tragen eine abstrakte emotionale Erinnerung in sich. Gertrude Stein ist eine spannende Schriftstellerin und Dichterin, die sich viel mit dem bloßen Klang eines Wortes und dessen Wirkung auseinandergesetzt hat.

Da muss ich direkt an euren Song „2468“ denken.

Reece: Wir haben Zahlen aneinandergereiht, und es klang gut. Das ist doch total faszinierend.

Lowenstein: Die Idee war, einen Song zu imitieren, den ein Mädchen beim Spazieren in ihrem Kopf entwirft und summt. Uns gefällt die Schönheit des Simplen.

Reece: Und The Velvet Underground haben wunderschöne Songs aus nur zwei oder drei Akkorden gemacht.

Lowenstein: Oder sogar nur einem. (lacht)

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