„In-Dependence“ von Stephanie Lottermoser: Sax alles ab!
Stephanie Lottermoser klingt auf ihrem neuen Album „In-Dependence“ so frei wie nie zuvor. Doch die Saxofonistin und Sängerin macht sich große Sorgen um den musikalischen Nachwuchs.
Stephanie Lottermoser, was macht dein sechstes Album „In-Dependence“ im Vergleich zu früheren Produktionen aus?
Stephanie Lottermoser: Es ist ein großer Schritt in Richtung musikalische Unabhängigkeit, weil ich darauf verzichtet habe, mit einem Produzenten zu arbeiten. Im Schreibverlauf hat sich gezeigt, dass ich bei den Skizzen der Kompositionen schon ziemlich genaue Vorstellungen davon hatte, wie es klingen soll.
Es gibt viele Passagen mit stark bearbeiteten und übereinander geschichteten Gesangsspuren. Geht es also weg vom puren Jazzgesang und noch konsequenter hin zu Soul, Pop und Funk?
Lottermoser: Das kann ich so nicht unterschreiben. Bei meinem vorletzten Album „This Time“ hatte ich mit einem US-Produzenten zusammengearbeitet: Das war klar poporientiert. Danach bin ich von diesem Stil eigentlich wieder ein bisschen weggegangen, und wir haben „In-Dependence“ fast wie live eingespielt.
Deiner Biografie ist zu entnehmen, dass du dich zunächst mit Gesang beschäftigt hast und später erst das Saxofon dazugekommen ist. Hat sich diese Rangfolge mittlerweile aufgelöst?
Lottermoser: Zum Gesang haben wir alle einen direkten Zugang, schon als Kinder. Es ist das Einfachste der Welt. Mit 13 kam dann das Saxofon dazu: Das habe ich studiert, deshalb bin ich in den Jazz gegangen. Aber eins geht nicht ohne das andere. Ich brauche beide Ausdrucksformen, das Instrument und die Stimme.
Wer hat dich bei der Suche nach deinem Sax-Ton beeinflusst? Ich höre da Leute wie Bill Evans raus …
Lottermoser: Danke für das Kompliment, Bill Evans ist in der Tat einer meiner Lieblingssaxofonisten. Dexter Gordon habe ich mit 16 entdeckt. Michael Brecker war groß, der konnte 16 Takte Popsolo spielen und im nächsten Moment wieder völlig unlimitiert und experimentell sein.
„Tenor ist definitiv mein Instrument.“ Stephanie Lottermoser im Interview zu ihrem neuen Album „In-Dependence“
In welchem Register fühlst du dich am wohlsten?
Lottermoser: Es gibt ein einziges Foto von mir im Netz mit einem Baritonsaxofon, deshalb kommt ständig diese Frage. Aber ich spiele kein Bariton und eher selten Sopran. Tenor ist definitiv mein Instrument.
Wie ist es deiner Meinung nach um die Talentförderung in Deutschland bestellt?
Lottermoser: Da ist durch die Pandemie sehr viel weggebrochen. Klar, die jungen Musikerinnen haben sich weiterhin um Stipendien bewerben können. Aber was das Livespielen anbelangt, fallen die Jungen jetzt durchs Raster, weil viele Veranstalter keine Experimente mehr machen. Der Nachwuchs hat jetzt noch härter zu kämpfen, als das schon vor der Pandemie der Fall gewesen ist. Wir sagen ja immer: Das wird schon wieder! Aber dieses „Wird schon wieder“ bricht gerade vielen in der Branche das Genick.
Stephanie Lottermoser ist mit dem neuen Album „In-Dedependence“ unser Jazzact der Woche. Zuletzt haben wir an dieser Stelle „Where I’m meant to be“ von Ezra Collective vorgestellt.