Sven Väth
Techno-Schamane, Mayday-Veteran, DJ-Vorreiter: Sven Väth ist einer der wichtigsten Produzenten elektronischer Musik. Ein Gespräch mit dem 37-Jährigen über Sprachlosigkeit, Drogen und die Junge Union auf der Love Parade.
_ulysses: Sven, wie stehst du eigentlich inzwischen zur Love Parade?
Sven Väth: Lang gefeiert, lang mitgemacht, letztes Jahr das erste Mal ausgesetzt. Und ich glaube, nächstes Jahr auch.
_ulysses: Warum?
Väth: Weil die Love Parade keinen Sven Väth mehr braucht. Die funktioniert auch so.
_ulysses: Es war immer so, dass Techno als sprachloses Phänomen gesehen wurde. Zum einen durch den Verzicht auf Sprache und Texte, zum anderen durch den bewussten Verzicht auf Inhalte. In den letzten Jahren spüre ich gewisse Ermüdungserscheingen. Hat das was mit dieser Sprachlosigkeit zu tun? Gibt es ein Bedürfnis nach Inhalten, das der klassische Techno nicht befriedigt?
Väth: Das sehe ich so nicht. So bunt und so gut wie heute war Techno noch nie, es gab noch nie so viel gute Produktionen, Labels, Veranstaltungen, Clubs … Man muss sie nur suchen. Durch die Demokratisierung der Gerätschaften ist die Flut der Produktionen gestiegen, und jede Woche in die Plattenläden zu rennen, ist richtige Arbeit geworden. Daher vielleicht die Ermüdung. Im Übrigen wurde ja auch immer mit Worten gearbeitet, vielleicht mal eine Zeitlang mehr, dann wieder weniger. Ich persönlich glaube, das Purste ist schon der Rhythmus selbst, und die totale Ekstase kommt durch die Monotonie. Und alles was drauf gepackt wird, soll dann Messages transportieren.
_ulysses: Politisch hat sich Techno immer als völker- und klassenübergreifende Bewegung verstanden, die so schon per se politisch ist, auch wenn sie keine Inhalte transportiert. Die Love Parade dagegen ist mehr und mehr zur Selbstdarstellung von Jungen Liberalen und CDU geworden. Als Außenstehender fragt man da: Ist Techno eigentlich was für Konservative?
Väth: Glaub’ ich nicht. Wenn sich die Junge Union auf der Love Parade eine Plattform sucht, dann wäre es eigentlich Sache der Veranstalter, zu fragen, wie das passieren kann. Ich sehe aber nach wie vor unsere Message in der Musik: Musik erleben, tolerant zu sein. Und damit hat sich’s.
_ulysses: In den Anfängen hatte Techno den Ruf des Gesichtslosen. Es gab zwar Sounds, aber keine Stars. Du hast dich davon immer abgegrenzt, dich auch als Star und Musiker inszeniert.
Väth: Mich hat keine namen- und gesichtslose Musik inspiriert. Für mich gab es einst Leute wie Gary Numan, die Simple Minds oder Industrial-Projekte wie Front 242. Das waren ja alles Bands. Die House-Tunes, die ich zwischendurch gespielt habe, das waren irgendwelche DJ-Food-Platten, die von DJs für DJs gemacht wurden, aber ganz grundsätzlich neige ich zu Persönlichkeiten, die zu ihrer Musik stehen. Auch im Techno gibt es die, selbst wenn immer behauptet wird, dass es nicht so sei. Aber ob das jetzt ein Laurent: Das sind alles Gesichter.
_ulysses: Vor fünf, sechs Jahren konnte man überhaupt nicht über Techno reden, ohne in irgendeiner Form über Drogen zu reden. Warum gibt es heute diese Diskussion nicht mehr?
Väth: Wahrscheinlich, weil heute alle Drogen nehmen …
Interview: Falk Schreiber