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Fame Impala: Kevin Parker im Interview

Tame Impala
(Foto: Neil Krug)

Der Psychedelic-Nerd ist in den Arenen angekommen. Doch jetzt muss Kevin Parker mit Tame Impala zum ersten Mal ein Album abliefern, von dem selbst die Superstars des HipHop ganz viel erwarten.

Kevin, dein letztes Album „Currents“ wurde überall als Meisterwerk gefeiert, du hast eine Grammy-Nominierung eingesackt und bist mit Tame Impala bei den weltweit größten Festivals als Headliner aufgetreten. Wie fühlt sich die Platte für dich selbst nach mittlerweile viereinhalb Jahren an?

Kevin Parker: Ich mag das Album. (lacht) Inzwischen ist so viel Zeit vergangen, dass ich die Platte nicht mehr selbstkritisch betrachte, sondern eher mit Nostalgie. Wenn sich bei aktuellen Stücken etwas nicht richtig für mich anhört, trifft mich das. Aber bei „Currents“ finde ich solche Stellen eher niedlich und charmant.

Der Opener deiner neuen Platte heißt „One more Year“, was sich durchaus als Antwort in Richtung Plattenfirma, Fans und Medien lesen lässt, die bereits vor ein oder zwei Jahren mit einem neuen Album gerechnet und schon geunkt haben, dass es wohl nicht so leicht ist, nach einem Meilenstein wie „Currents“ nachzulegen.

Parker: Da musste ich einfach egoistisch sein und mich wie ein kleines, stures Kind verhalten. Würde ich solchen Forderungen nachgeben, hätte die Qualität gelitten.

In einem Interview hast du kürzlich gesagt, dass du dich wertlos fühlen musst und die Unsicherheit brauchst, um kreativ sein zu können?

Parker: Das wird wohl immer so bleiben. Natürlich setze ich mich nicht hin und schreibe einen Song, wenn es mir total beschissen geht. Es geht eher um das grundlegende Gefühl eines Teenagerjungen, der sich von der Welt abgeschnitten wähnt. Lange Zeit war Kanye West für mich ein Vorbild, weil er mit so viel Selbstbewusstsein seine bahnbrechenden Ideen raushaut. Aber ganz egal, was alle über seine Selbstwahrnehmung denken, bin ich davon überzeugt, dass auch Kanye West mitunter morgens mit dem Gefühl aufwacht, er habe der Welt nichts zu geben. Wir alle fühlen uns an manchen Tagen einfach wertlos und beschissen, und das ist für mich der Ansatzpunkt. Die Tage, an denen ich mich wie der König der Welt fühle, würden meiner Musik nicht gut tun.

Also ging es darum, „Currents“ zu vergessen?

Parker: In gewisser Weise schon. Was bringt dir schon das Wissen, bestimmte Methoden und Herangehensweisen zu haben, die funktioniert haben? Die Wiederholung wäre eine künstlerische Bankrotterklärung gewesen, und selbst wenn die neue Platte genauso gut geworden wäre, lässt sich der Effekt von „Currents“ ja nicht wiederholen. Deswegen habe ich mich für eine gewisse Zeit ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit anderen konzentriert. Statt gleich ans nächste Tame-Impala-Album zu gehen, wollte ich wissen, wie andere Produzenten ticken und die Arbeitsprozesse bei Dance, House und ganz besonders im HipHop-Bereich ablaufen.

Beim HipHop frage ich mich ja immer, wie genau das abläuft, wenn für einen Track gleich drei oder vier Produzenten in den Credits genannt werden.

Parker: Das kann alles heißen. Mittlerweile läuft es vor allem so, dass jeder ein bisschen an dem Stück rummacht und es dann weiterschiebt. Mich hat eher das Teamwork interessiert, und deswegen bin ich etwa auch mit Travis Scott ins Studio gegangen.

Wäre das nicht auch eine Idee für „The slow Rush“ gewesen? Die Band ist beim Aufnahmeprozess nie dabei, aber du hättest dir andere Produzenten ins Boot holen können.

Parker: Darüber habe ich nachgedacht, aber gerade weil ich so lange weggewesen bin, war es mir wichtig, dass diese Album ausschließlich von mir kommt. Für die Zukunft kann ich mir aber sehr gut vorstellen, den kreativen Prozess zu öffnen.

„Currents“ war der große Schritt vom Psychedelic-Rock zum cluborientierten Futurepop. Stand hinter „The slow Rush“ die Idee, auch ein kleines Stück zurückgehen zu müssen, um weiter vorwärts zu kommen?

Parker: Ich wollte Musik umarmen, mit der ich mich bislang noch nicht so intensiv auseinandergesetzt hatte: Neben HipHop, House und Elektro war das auch der alte Soul der 60er und 70er. Während „Currents“ von Synths und den laserartigen Sounds der 80er dominiert wurde, ging es mir jetzt um einen organischeren Sound. Auch wenn Pauken, Drum oder Panflöten mit einem Keyboard gespielt werden, sollte es sich anhören, als hätte ich eine alte Platte gesampelt und in ein modernes Setting verpflanzt.

Hat dich das auch von dem Druck befreit, einen noch größeren Banger als etwa „Let it happen“ vorlegen zu müssen?

Parker: Für „The slow Rush“ wollte ich nicht den Wechsel von Strophe und Refrain, sondern eher eine freiere Songstruktur. Statt auf Wiederholungen zu bauen, sollten die mäandernden Melodien der Strophen als Ankerpunkte dienen. Es ist ein in sich geschlosseneres Album, was ich auch daran gemerkt habe, dass ich mehr Aufmerksamkeit als je zuvor auf die Texte verwendet habe.

Du nutzt die Reflexion über Zeit für sehr persönliche Auseinandersetzungen wie etwa die Aussöhnung mit deinem 2009 an Krebs verstorbenen Vater in der Ballade „Posthumous Forgiveness“. Insgesamt ist es ein doch sehr optimistisches Album, bei dem unterm Strich vor allem Akzeptanz steht, oder?

Parker: Ich würde es als Verarbeitung bezeichnen. Es werden schon sehr dunkle Aspekte verhandelt, aber ich stimme dir zu, dass ich versuche, dem hysterischen Umgang eher eine Gelassenheit entgegenzusetzen – nur eben ohne dabei zu verharmlosen und zu relativieren.

Wenn du in „Borderline“ über deine zweite Heimat L.A. räsonierst, dann ist das auch immer noch der Blick des Indiemusikers aus dem australischen Perth, der sich mit seinem neuen Popstar-Dasein arrangieren muss. Wie kommst du damit klar, dass es inzwischen eine große Meldung ist, wenn du für deine Hochzeit Hamburger bestellst und Lady Gaga dann doch nicht zur Party kommen kann?

Parker: Mein Leben in L.A. ist eine Art sweet punishment. Ich trage dieses kranke Verlangen in mir, mich in Situationen zu begeben, die ich eigentlich hasse. Wobei sich dieser Hass eben vor allem auch daraus speist, dass ich diese Situationen noch nie durchlebt habe. Früher steckte in meiner Ablehnung von Studios auch viel Neid auf die Produzenten, die in diesen großen Zusammenhängen arbeiten. Ich hatte einfach Angst davor. Die Findungsphase läuft noch. Meine neuen, sehr viel luxuriöseren Lebensumstände erleichtern es mir ja auch, Ausgleiche zu schaffen und komplett abzutauchen. Am Ende entscheidet immer, ob du dein eigenes Ding daraus machen kannst.

Interview: Carsten Schrader

The slow Rush von Tame Impala erscheint am 14. Februar.

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