Tanja Birkner: Halbe Stunde
Die Neuregelung des Prostitutionsgesetzes ist so ein Thema, über dem Freundschaften zerbrechen. Tendenziell kann man zwar sagen: Je weiter rechts das Gegenüber steht, desto stärker will er oder sie Sexarbeit regeln beziehungsweise kriminalisieren. Aber so einfach ist es dann doch nicht, auch links findet man Fans eines harten Kriminalisierungskurses, während manche Rechte liberale Positionen vertreten. Und so kann ein freundlicher Partysmalltalk schnell zur Grundsatzdiskussion ausarten … Da tut ein unaufgeregter Blick gut. Die Fotografin Tanja Birkner hat mit ihrer Serie „Halbe Stunde“ das Hamburger Rotlichtviertel St. Georg porträtiert, zurückhaltende Aufnahmen von Sexworkern, Barbetreibern, Sozialarbeitern und dem entsprechenden Umfeld. Dazu kurze Selbstbeschreibungen der Porträtierten, mal nur ein paar Zeilen, mal mehrere Seiten lang. Unaufgeregt, ohne Partei zu ergreifen, so dass man merkt: Mit einfachen Lösungen kommt man hier nicht weiter. Ja, es gibt die Gewalt der Armutsprostitution, wenn der ehemaligen Sexworker Christianüber seinen Ausstieg aus der Szene erzählt: „Für mich war das nur noch menschenunwürdig. (…) Ich würde sagen, dass die Freier ziemlich unmenschlich sind.“ Aber es gibt auch die selbstbestimmte, politisch bewusste SM-Spezialistin Undine de Rivière, die als Pro-Sexwork-Aktivistin recht bekannt ist. Was für Birkners Fotoserie ein kleines Problem darstellt: Wenn als positives Beispiel immer nur de Rivière auftaucht, könnte man denken, dass es in der Realität womöglich gar nicht so wahnsinnig viele andere Beispiele gibt. Davon abgesehen, ist „Halbe Stunde“ allerdings ein schöner, im Grenzbereich zwischen Dokumentation und Inszenierung auch künstlerisch überzeugender Ausflug in ein sozialpolitisch extrem aufgeladenes Millieu. Und wenn die Emotionen in der Diskussion allzu hochschlagen, hilft ein Blick in den Bildband und zeigt: Alles nicht so leicht.