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Der neue Murot-„Tatort“ ist ungewöhnlich normal – und echt langweilig

Szenenbild aus „Murot und das Tausendjährige Reich“ mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle als Kommissar Felix Murot.
Kommissar Rother (Ulrich Tukur) sieht irgendwie aus wie Felix Murot. (Foto: HR/Bettina Mueller )

Wer hätte das gedacht: Nach 13 ungewöhnlichen bis völlig abgedrehten Folgen ist der neue Fall des exzentrischen Ermittlers eine schulmeisterliche Volte gegen AfD und Co. – oder doch nicht?

Sonntag in der ARD und in der ARD-Mediathek: Der 13. Fall für Felix Murot als „Tatort“-Kommissar: „Murot und das Tausendjährige Reich“. Ulrich Tukur spielt natürlich wieder den eigenwilligen Ermittler, der diesmal in einem ungewohnt konventionellen Historienkrimi einen Mörder zur Strecke bringen will.

Der erste „Murot“-Tatort, der nicht total schräg ist

Bisher waren die „Tatort-“Folgen mit dem Kriminalhauptkommissar vom Wiesbadener LKA immer irgendwo zwischen schräg und schauerlich und vor allem voller Zitate anderer Filmklassiker: von Quentin Tarantino bis Edgar Wallace, von Federico Fellini bis Sergio Leone, von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray und „Assault – Anschlag bei Nacht“ von John Carpenter bis hin zu „Die Ferien des Monsieur Hulot“. Das hatte mit dem klassischen, seriellen „Tatort“-Ermittler meist wenig bis gar nichts zu tun, was die einen deswegen toll fanden, die anderen deswegen gerade nicht. Kurz: Ulrich Tukur als Murot spaltet seit jeher die Gemüter.

Nun aber, in Murots neuem Fall, steht eine Art Zeitreise an, die recht konventionell anmutet und es auch ist: Im Flieger aus Argentinien sitzt der Nazi-Kriegsverbrecher Hagen von Strelow, der endlich an Deutschland ausgeliefert wird. Der ehemalige SS-Mann ist Murot vor 30 Jahren durch die Lappen gegangen. Von Murot ist derweil in dem neuen Krimi nichts zu sehen – das heißt, doch: von Strelow erinnert sich an die Vergangenheit, und wir blicken zurück ins Jahr 1944 ins ländliche Deutschland.

Dort ist der Wagen des alternden Sonderermittlers Friedrich Rother (Ulrich Tukur als Murot-Wiedergänger), liegengeblieben. Der altersabgeklärte Rother und sein Adjutant, der sehr motivierte Nazi-Scherge von Strelow (in jung: Ludwig Simon, „Das Haus der Träume“), kommen im nahegelegenen Dorf im Gasthaus unter. Dort fällt Rother sofort Else Weiß (Barbara Philipp, sonst als Murots Kollegin Magda Wächter zu sehen) auf: Für eine Küchenhilfe ist sie zu aufmerksam, klug und geschickt. Was macht sie hier? Er wird sie später auf jeden Fall noch brauchen können.

Denn bald schon muss Rother dienstlich tätig werden: Ein britischer Pilot, der in der Nähe des Dorfes abgeschossen wurde, ist im Dorf ermordet worden. Vorher soll er aber noch vier Wehrmachtssoldaten erschossen haben. Rother ist hingegen sicher, dass die Soldaten sich gegenseitig getötet haben – nur warum? Und was für ein angebranntes Dokument steckt er am Tatort in seine Jackentasche? Und sollen wir wirklich mit im sympathisieren? Schließlich macht man im Nationalsozialismus nicht ohne grausamen Grund Karriere und wird Sonderermittler. „Murot und das Tausendjährige Reich“ macht es sich hier denkbar einfach und lässt Rothers Vergangenheit einfach im Dunkeln. Schwach, ein wenig Ambiguität hätte schon drin sein sollen.

Nun beginnt die Tätersuche, die so einige Leute umfasst, darunter einen ehemaligen Philosophie-Professor (Cornelius Obonya, „Herrhausen“), der Dauergast im Gasthof ist, Rother kennt und immer Schach spielt. Den Schmied. Und den Gefangenen der toten Soldaten, selbst ein Wehrmachtsmitglied. Es stellt sich heraus: Der Brite hatte kriegsentscheidende Dokumente der Alliierten bei sich, die verschwunden sind. Und Rother ist kriegsmüde – vielleicht will er auch gar nicht, dass die Dokumente gefunden werden und den Nazis in die Hände fallen und der Krieg noch länger andauert? …

(v.l.n.r.) Hagen von Strelow (Ludwig Simon), Else Weiß (Barbara Philipp) und Kommissar Rother (Ulrich Tukur).
(v.l.n.r.) Hagen von Strelow (Ludwig Simon), Else Weiß (Barbara Philipp) und Kommissar Rother (Ulrich Tukur). Foto: HR/Bettina Mueller

Ein müder Krimi in Nazi-Land

Die Macher sagen, dieser Murot-„Tatort“ solle erzählen, „was eine Diktatur mit Menschen macht, ob es Zivilcourage gibt und was der Preis dafür sein kann.“ So schön und gut wie tausendmal gesehen. Wieso wählt man für die innovativste Krimifigur im deutschen Fernsehen einen so altmodischen Ansatz, sie einfach in der Vergangenheit als anderer Ermittler einzusetzen? Damit der eher altmodische, rauchende, klavierspielende, singende Murot-Darsteller Ulrich Tukur altmodische Klamotten tragen, ganz viel rauchen und wieder in die Tasten hauen und was singen kann? Denn danach sieht es aus.

Wieso tritt Murot nicht im Deutschland der Gegenwart zum Beispiel gegen einen rechtsextremen Hetzer wie Björn Höcke an, gerne auch mit zahlreichen Zitaten aus Hitchcock-Filmen und aus „Der Marathon-Mann“, angesiedelt in einer Therapiestunde Murots? Oder aufgrund seines eigentlich für besiegt erklärten Hirntumors, der doch wieder Metastasen gebildet hat? Wenn sich diese TV-Reihe, die sich bisher jede Freiheit genommen hat, sich diese Freiheit nicht nimmt, wer soll es dann tun? Eine TV-Reihe, in der Murot sogar schon mal Adolf Hitler erschossen hat! Und dann jetzt so ein banaler Landkrimi in Nazi-Deutschland ohne frische Idee und ohne Mumm.

So plätschert der Krimi recht ereignis- und kraftlos inszeniert dahin und hat nichts zu erzählen, das man nicht in zahlreichen anderen Filmen übers Dritte Reich schon gesehen hätte. Innovative Ideen? Fehlanzeige. Tukur raucht, trinkt Rotwein, und der Inhalt der Dokumente des Piloten wird in seiner ganzen makroskopischen Bedeutung aufgedeckt, aber die Geschichte dadurch eher noch alberner in ihrer mikroskopischen Bedeutungslosigkeit: Das Ganze wurde im Freilichtmuseum Hessenpark gedreht, wo über 100 historische Fachwerkhäuser rumstehen, und genauso leblos und museal sieht das als Film dann auch aus.

Und am Ende, als der Altnazi dann in Frankfurt landet und Murot wiedersieht, ist auch nicht klar, was dieser Murot-Fall uns sagen soll: Die Täter werden immer für ihre Taten bezahlen müssen? Es kann jederzeit wieder geschehen, was damals geschah, siehe AfD, also ein pflichtschuldiges „Nie wieder ist jetzt“? Oder ist die Schlusspointe einfach nur ein filmischer Gag?

Hoffen wir einfach, dass der nächste Murot im Jahr 2025 wieder etwas mehr Vision hat – und sei sie noch so schräg …

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