„The Next Level“: Drogentote und Kapitalismuskritik im Ersten
Eine Hochzeitsreise mit tödlichem Ende, die Gentrifizierung Berlins und ein ostdeutsches Familiengeheimnis: Die Dramaserie „The Next Level“ läuft im Ersten und kann in der Mediathek gestreamt werden.
Die junge Amerikanerin Zofia (Jenny Walser) stirbt nach einer Nacht im Berliner Klub Tresor an einer Überdosis, und die Journalistin Rosa Bernhard lernt den Witwer kennen und kümmert sich um ihn. Rosa hat gerade einen Berliner Senator mit einem Zeitungsartikel zum Rücktritt gezwungen, jetzt recherchiert sie dem Immobilienspekulanten Brenner hinterher und will in unbedingt interviewen. Beide Handlungsstränge von „The Next Level“ werden in ihrer Person zusammengeführt. Die Dramaserie startet jetzt im Ersten und kann in der ARD-Mediathek gestreamt werden.
Wobei: Zuerst kommt Rosas Interesse für den Amerikaner Josh, der fast schon traumatisiert-teilnahmslos die Behördengänge absolviert, um seine tote Frau einäschern und in die USA überführen zu können. Als sein Schwiegervater aus den USA einfliegt, weil er Josh nichts zutraut, bringt zumindest Konfliktdynamik die Handlung etwas voran. Ansonsten besticht die Serie „The Next Level“ mit sehr vielen ruhigen Bildern: Man hat es hier nicht eilig, auch nicht, wenn man wie Rosa (Lisa Vicari, „Herrhausen“, „Django“) in aller Öffentlichkeit teuere Gemälde aus Galierien klaut. Dass diese Ruhe in der Serie funktioniert, liegt auch am Score von Martina Eisenreich und Martin Kadelbach. Vor allem aber trägt Hens Harzer diese Ruhe mit seinem Schauspiel. Der Iffland-Ring-Träger spielt den früheren DDR-Bürgerrechtler und jetzt stinkreichen Immobilienspekulanten Benno Brenner zwar mit deutlich mehr Mimik, als man es zum Beispiel von ihm in der Serie „Babylon Berlin“ gewohnt ist, aber das Drehbuch und die Regie ließen den Schauspieler, der Arroganz so kultiviert spielen kann, im Laufe der sechs Folgen immer mehr im Stich: Was ist am Ende mit seinem Antikapitalismus, den er gegenüber den Berliner Behörden immer wieder raushängen lässt? Wohin soll die Beziehung zu seiner Tochter Paula (Paula Kober, „Schwarze Früchte“) führen, wer soll ihm seine immer inflationärer, aber nur halb ausgesprochenen Drohungen glauben? Harzer ist schauspielerisch sicher das Glanzlicht der Serie. Genau deshalb aber sieht man in seinem Spiel aber auch deutlich die Lücken des Drehbuchs, und am Ende ist da kein Brenner mehr, sondern nur noch Benno, wie er sich privat öffnet und ausspricht.
Das Drehbuch stammt von dem Schrifsteller und Journalisten Alexander Osang. Als Kind der DDR kennt Osang sich aus mit dem Ausverkauf seines Landes nach Wende und Wiedervereinigung und baut dieses Thema am Beispiel des fiktiven Immobilienmaklers Brenner geschickt ein, der in den 90ern beim Verkauf der Karl-Marx-Allee als Vermittler reich geworden ist, dann New York superreich wurde und jetzt Inseln in der Karl-Marx-Allee und überhaupt in Berlin zurückkaufen will in einem Anfall von Nostalgie, weil er nicht mehr weiß, wie der junge Brenner mal war.. Allein: Diese Geschichte konkuriert mehr mit der Geschichte der Drogentoten, als dass sich beide Storys ergänzen. Da wirkt auch das Lebensmotto der verstorbenen Zofia vom ständigen Errreichen eines nächsten Levels bemüht – in Kombination mit dem Artikel von Rosa über Brenner und das Verschlingen des DDR-Volkseigentums durch den Kapitalismus, der eben diese Headline haben wird. Wenn man nach Alexander Osang und dem Klub Berghain (der Tresor im wahren Leben) googelt, findet man einen langen Artikel von ihm auf Spiegel Online – über eine wirklich im Berghain an einer Überdosis verstorbenen US-Amerikanerin. Beide Themen hätten für je eine wirklich spannende Serie gereicht, dann hätte man einen Wirtschaftskrimi sehen können und in der anderen Serie ein persönliches Drama, verbunden mit Drogenkriminalität und der rechtswidrigen Philosophie eines Klubs. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Schauen Sie die Serie „The Next Level“! Sie schaut sich angenehm weg, das Schauspiel ist gut, die Regie von Pia Strietmann („Herrhausen“) bei den ersten beiden Folgen und Julia Langhof bei den restlichen vier hat der Geschichte ein Ruhe gegeben mit langen Einstellungen auf den Gesichtern und mit ruhigen Drohnenkameraflügen über den Himmel von Berlin, die Dialoge sind kurzweilg, Jens Harzer sowieso, und Lisa Vicari spielt souverän die Journalistin Rosa in ihrem unschuldig-zupackenden Charakter. „Das nächste Level“ weit von der TV-Durchschnittsware entfernt – hätte aber mit der Fokussierung auf ein Thema noch weitaus besser sein können.