Diese „Time Bandits“ bei Apple TV+ nerven einfach nur – wir sagen euch, warum
„Thor“-Regisseur Taika Waititi hat den bekannten Kinofilm von zwei Monty-Python-Mitgliedern für Apple TV+ neu aufgelegt – und bietet außer Antiwitzen wenig an.
Jetzt bei Apple TV+: Taika Waititis Serienversion von Terry Gilliams SciFi-Märchenklassiker „Time Bandits“ von 1981. Der „Jojo-Rabbit“-Regisseur erzählt von einem Jungen und einer Gruppe Zeitreisender, die ihn mitnehmen auf ihre Abenteuer. Produziert haben Waititi („Our Flag means Death“), sein alter Kreativpartner Jemaine Clement, Garrett Basch („Ripley“), Dan Halsted und Iain Morris. Wir haben uns das mal von vorne bis hinten angeschaut.
Worum geht es bei „Time Bandits“?
Der elfjährige Engländer Kevin Haddock (Kal-El Tuck) hat es nicht leicht: Niemand mag sich mit dem Geschichtsbuch-Supernerd abgeben. Die obergelangweilten, ultradesinteressierten Eltern nicht, die ihren Spross gerne moderner, also smartphone- und gamesüchtiger hätten. Der Vater ist Buchhalter bei einer Beraterfirma, die Mutter ist Beraterin bei einer Buchhalterfirma, noch Fragen? Die Mitschüler nicht, die wählen beim Kicken lieber einen auf Krücken gehenden Jungen, als den über die historischen Hintergründe von Fußbällen dozierenden Kevin; die jüngere Schwester Saffron (Kiera Thompson) nicht, die ist jüngere-Schwester-mäßig genervt von ihrem Bruder. An Kevins Geburtstag geht es für die ganze Familie zu Kevins Wunschziel: Woodhenge, wo steinerne Nachbauten hölzerner historischer Gebilde stehen! Kevin jubelt, die anderen ächzen.
Eines Abends rumpelt es kräftig im Schrank, und Kevin bekommt Besuch von fünf seltsamen Gestalten, angeführt von Penelope („Friends“-Star Lisa Kudrow): Judy, (Charlyne Yi), Alto (Tadhg Murphy), Bittelig (Rune Temte) und Widgit (Roger Jean Nsengiyumva). Diese stellen sich als Time Bandits vor, die mit einer magischen Karte, die sie dem Obersten Wesen (Taika Waititi) gestohlen haben, durch Raum und Zeit düsen und dabei ganz viele Dinge stehlen. Kevin purzelt hinterher und reist nach Troja, wo er ins Trojanische Pferd steigt, landet im Dinozeitalter, im Mittelalter, dem alten England, in der Harlem Renaissance oder in der Eiszeit und glänzt überall mit seinem genauen Wissen über die historischen Zusammenhänge. Keiner der Reisenden weiß allerdings, dass der höllische Schurke Pure Evil (Jemaine Clement), der Gegenspieler des Obersten Wesens, die Karte auch haben will und einen Dämon auf ihre Spur gesetzt hat. Kevins Eltern müssen dann auch bald gerettet werden!
Wer hat’s gemacht?
Taika Waititi hat mit den beiden letzten Filmen um den Marvel-Superheld Thor große („Thor: Tag der Entscheidung“), okaye („Thor: Love and Thunder“) und gar keine („Next Goal wins“) Erfolge gefeiert und mit der überschätzten Nazi-Satire „Jojo Rabbit“ die Kritiker für sich eingenommen. Gemeinsam mit seinem „Time Bandits“-Partner Jemaine Clement (hier Idee, Drehbuch, Produktion, Darsteller) hatte er 2014 mit der Horrorkomödie „5 Zimmer Küche Sarg“ über eine Vampir-WG auf sich aufmerksam gemacht. Da in dem Originalfilm „Time Bandits“, auf dem die Serie basiert, die „Time Bandits“ von kleinwüchsigen Schauspielern verkörpert wurden, mussten Waititi und Clement Kritik dafür einstecken, dass sie dies bei ihrer Serienversion nicht beibehielten und normal große Schauspielerinnen und Schauspieler casteten. Die Enkelin eines damals im Film beteiligten, kleinwüchsigen Darstellers beschwerte sich prompt über mangelnde Inklusion und Diversität, Waititi und Clement wiederum wollten nicht, dass Kleinwüchsige zum Stereotyp für magische Kreaturen werden – sie hätten bei der Besetzung der Rollen mit Kleinwüchsigen genau dafür sicher auch Ärger auf sich gezogen, wahrscheinlich sogar aus derselben Community …
Skandal am Set: Jemand verlässt spontan „Time Bandits“
Ärger gab es auch, als sich die nicht-binäre Charlyne Yi, die in der Serie Time Bandit Judy spielt, über körperliche Übergriffe eines Schauspielers beschwerte, die nach ihrer Aussage letztlich zu einer Rückenverletzung und einer postraumatischen Belastungsstörung führten. Augenzeuge gaben zu Protokoll, dies sei in einer Szene geschehen, in der die Bandits laufen und dann rasch stehenbleiben, ineinanderrennen und sich wieder aufhelfen. Yi sagte, die Übergriffe und auch psychologischer Missbrauch, seien auch davor und danach weitergegangen. Dies gipfelte schließlich in Yis spontanem Ausstieg aus der Serie, der in der Handlung irritiert, weil das wohl so schnell ging, dass kein vernnftiger Hintergrund für diesen Abgang geschrieben und inszeniert werden konnte: Bei einer der Reisen durch Zeit und Raum greifen plötzlich Tentakelarme nach Judy, und sie ist weg. Die anderen Bandits nehmen das – allerdings wie so vieles – eher schulterzuckend zur Kenntnis. Später sagt das Oberste Wesen, er hätte einen Bandit gefangen, woraufhin die Kamera für ein Sekunde im Hintergrund ein Bodydouble von Yi zeigt.
„Time Bandits“ bei Apple TV+“: Wie ist es gemacht?
Waititi demystfiziert mit diebischer Freude Historie: Stonehenge, das Trojanische Pferd oder die Menschenopfer der Mayas bekommen alle Erklärungen und Wahrheiten verpasst, die so albern sind, dass sie fast als wissenschaftsfeindlich durchgehen könnten. Die Geschichte, ein Haufen überinterpretierter Banalitäten?! Wahrscheinlicher ist: Wahiti ist kein Schwurbler, sondern macht sich einfach seine eigenen, respektlosen, kichernden Gedanken zu den große Mysterien der vergangenen Zeit. Darin liegt natürlich auch die phliosophische Betrachtung, dass Historie zum Zeitpunkt ihres Geschehens meist etwas Alltägliches war, das erst durch die Evolution und die Entwicklung der Zivilisation zu etwas Außerordentlichem wurde.
Das Ganze geht zwei Folgen auch lang ganz amüsant los. Unser Lieblinsgag: In der Hölle bei Bösewicht Pure Evil gehen die Anrufe mit dem Klingelton „Geschrei der Gemarterten“ ein. Es gibt Scherze und einige gute Dialoge – dann aber verstehen wir: Mehr wird da nicht kommen, genau so geht es jetzt noch acht Folgen lang weiter. Und das ist ein Problem. Über „Thor: Tag der Entscheidung“ wurde mal gesagt, das sei kein Marvel-Film, sondern die großbudgetierte Parodie eines Marvel-Films. „Thor: Love and Thunder“ wiederum fühle sich an wie ein durchgehender Witz, der nicht zünde. Und die Nazi-Satire „Jojo Rabbit“? Nicht annähernd so klug oder witzig, wie sie denkt. Und wir können sagen: „Time Bandits“ ist die Summe dieser kritischen Teile.
Spätestens nach der dritten Folge möchten wir nämlich Sitcom-Veteranin Lisa Kudrow dafür knäbeln, dass sie Kevin dauernd im sarkatischen Tonfall runtermacht, auf seine Kosten Sprüche klopft und ihn loswerden will. Der Star spielt hier im Grunde nicht anderes, als eine ältere Version ihrer „Friends“-Figur Phoebe – und die war damals schon eine Nervensäge. Die vielen selbstreflexiven Gags, die die Bandits angesichts von akuter Lebensgefahr, historischen Persönlichkeiten oder Urzeitvögeln von sich geben, nerven ebenso rasch. Und nach dem fünften Aufbau einer dramatischen, spannenden Situation, die mit einer ach so lustigen Antiklimax enttäuscht wird, haben wir Waititis Prinzip dann auch begriffen: Baue eine Genrekonvention auf, und dann breche sie mit der albernsten Idee auf, die dir einfällt. Schwer zu sagen, ob Waititis Humor einfach respektlos ist gegenüber den Vorbildern, mit denen er spielt, oder ob es gerade ein Zeichen extremen Respekts ist, alles und jedem mit Antihumor zu begegnen. Kostprobe? „Ich schaudere bei dem Gedanken“ – und alle schaudern betont pantomimisch mit den Schultern.
Nichts, was passiert, hat ein dramaturgisches Gewicht, emotionale Bindung zu den Figuren wird so verhindert. Und wenn Waititi dann doch mal auf Emo macht, hat es das Niveau eines Kinderfilms – was „Time Bandits“ in Inszenierung und Darbietung im Grunde auch ist, wenn wir die Erwachsenengags und die eine oder andere teilgruselige Stelle mal weglassen. Kudrow und Co. bewegen sich durch Zeit und Raum, als hätte sie jemand einfach ins Kostüm gesteckt und dann gesagt: „Ach, mach mal, wie du meinst, am besten Impro-mäßig, und so wie jemand aus dem Jahr 2024, den das alles nicht so wirklich tangiert“. Keine Sekunde glauben wir den Time Bandits, dass sie Meisterdiebe sind, so betont dilettantisch, wie sie sich anstellen. Doch um Glaubwürdigkeit geht es Waititi gar nicht, so hat er ja auch schon die Figur des Superhelden Thor dekonstruiert.
Ja, wird es denn nicht besser mit den „Time Bandits“ bei Apple TV+?
Nein. Es im Grunde der derselbe obergeschwätzige, nerdige Sabbelhumor wie in den „Deadpool“-Filmen, nur ohne Schweinereien und direkter Anrede ans Publikum. Hier wie da hat die Ironie die Erzählebene erobert, nichts kann mehr ernst genommen werden, alles wird total selbstironisch auf die Schuppe genommen, am liebsten mit der Art Witz, die mit der zeitlichen und geografischen Verortung des Geschehens aber mal so gar nichts zu tun hat. Und wo ein Witz gereicht hätte, macht Waititi drei bis vier – eine so ausgeprägte Form des Zwanghaft-witzig-Symptoms gab es zuletzt bei den Komödien von „Austin Powers“ Mike Myers!
So schade eigentlich, der ganze Aufwand für ein paar redundante Witze. Schon Waititis frühere Filme litten an diesem Missverhältnis von Aufwand und Wirkung, an seinem Unwillen, auch nur irgendetwas ernst zu nehmen. Und dabei stecken die Spezialeffekte hier jeden Hollywoodblockbuster in die Tasche – bei „Those about to die“, der Rom-Spektakelserie, die gerade bei Amazon Prime gestartet ist, haben wir da teils eine ganz andere Qualität gesehen.
„Time Bandits“ wirkt wie eines dieser Wunschprojekte eiens Filmemachers, für das Streamingplattformen einspringen, wenn die Filmstudios dankbar abwinken – meist aus guten Gründen („Zehn Folgen aus einem einzelnen Kinofilm machen? No way!“)“. Und es scheint auch ein Projekt der Eitelkeiten zu sein: Waititi lässt es sich natürlich nicht nehmen, das Oberste Wesen selbst zu verkörpern, und auf dem Plakat zu Serie ist er auch sehr prominent drauf, obwohl seine Rolle eher klein ist. Es ist anzunehmen, dass er den Originalfilm von 1981 liebt, eventuell als Kind gesehen hat und sich nun einen Lebenstraum erfüllt hat.
Ist es wirklich richtig misslungen?
Jep, denn „Time Bandits“ bei Apple TV+ ist irgendwie für junge Teens, haut aber nur nerdigem Adult-Humor raus, das kann nicht funktionieren, denn wer ist dann die Zielgruppe? Unter dem ganzen Getue und Gewitzel liegt eine echte Geschichte über Anerkennung, Wachstum und Reife verschüttet: Kevin lernt auf seinen Zeitreisen das Gefühl schätzen, wertgeschätzt zu werden für das, wofür er in seiner Gegenwart nur gehänselt und gemieden wird: Wissen, Smartheit und der Mut, seinen Jungen zu stehen. Schade, dass Waititi davon nicht erzählt. Und wenn, dann nur ironisch oder oberflächlich. Die zweite Staffel, die am Schluss mit einem unkreativen Cliffhanger vorbereitet wird, brauchen wir also jetzt nicht.