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Tomás Bárbulo: Versammlung der Toten

Barbulo

Mit Tomás Bárbulos leichtfüßiger und wendungsreicher Caper-Novel kann man das hierzulande vernachlässigte Krimiland Spanien entdecken, das mit seiner geografischen Nähe zu Afrika starke Plot-Möglichkeiten bietet.

Auch in Madrid gibt’s nicht immer nur Siesta und Fiesta! Schon gar nicht für Kleinganove Guapo und seine windigen Feinripp-Freunde Chiquitín, Chato und Yunque, die mit Fußballerfrisen und Sleeve-Tattoos fehlenden Verstand kaschieren und sofapupsend Telenovelas bingewatchen. Sie müssen sich öfter um die Reste von der Fischbude keilen, weil sie mit ihren Diebereien eher selten fette Beute am Haken haben. Da erscheint es ihnen wie ein El-Gordo-Jackpot, als Juwelier Jean-Baptiste ihnen einen Coup anbietet, bei dem ganz locker mal 2 Mille rausspringen sollen. Zusammen mit ihren Muchachas und einem Sahraui aus der Westsahara sollen sie auf Touri-Gruppe machen, im Kleinbus runter nach Marrakesch juckeln, dort in die Kanalisation krabbeln und sich in den Tresorraum einer Bank durchhauen, die voller Premium-Klunker ist. Scheint geschmeidig, die Alarmpetzen der Banco sind ein Witz, der Sahraui kennt als Dolmetscher das Land und die Launen der Marokkis und obendrein ist er Experto am Schneidbrenner. Null Problemas! Vamos! Guapo versucht chefig die Chose auf Spur zu halten, doch Freundchen Chiquitín baut gleich erst mal Mega-Bockmist und die Chicas pussen rum, weil sie ihre pinken Zehennägelchen in der Wüstensonne halten oder sich von dem exotischen Sahraui-Beau bonern lassen wollen. Dass der schweigsame Saharatyp nicht ganz halal ist und es bei der Sache um etwas ganz anderes geht, merken die Amigos erst, als es nach dem Bruch richtig böse wird …

Tomás Bárbulos leichtfüßige und wendungsreiche Caper-Novel zeigt, was das hierzulande vernachlässigte Krimiland Spanien zu bieten hat: Die geografische Nähe zu Nordafrika bietet starke Plot-Möglichkeiten. Zudem ist da noch die Geschichte des Landes als einstige Diktatur und Kolonialmacht, die nicht konfliktfrei mit der islamischen Kultur verwoben ist. Da Bárbulo in Marokko aufgewachsen ist und jetzt als Journalist für die spanische Zeitung El Paísüber Nordafrika berichtet, weiß er, wie man afrikanische Charaktere und Handlungsorte in Szene setzt und sie auf die ballonseidenen Macker-Allüren spanischer Krisenverlierer crashen lässt. Und weil Bárbulo weiß, wo es seinen Landsleuten am meisten zwiebelt, wird bei bester Krimispannung am Ende genüsslich spanischer Machismo in der Wüste gegrillt. Brillante! nh

Tomás Bárbulo Versammlung der Toten

Suhrkamp, 2018, 397 S., 14,95 Euro

Aus d. Span. v. Carsten Regling

 

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