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TV-Tipp: „Beale Street“ von „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins

Beale Street
(Bild: ZDF/Tatum Magnus)

In der Verfilmung des Romans von James Baldwin wird der unschuldige Fonny der Vergewaltigung beschuldigt – vom rassistischen System in den USA.

Natürlich wird James Baldwin als eine der prägendsten Stimmen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung verehrt. Doch seit der Erstarkung des Rassismus unter Donald Trump und #BlackLivesMatter ist der vor 30 Jahren verstorbene Schriftsteller so gegenwärtig wie lange nicht: Wenn Ta-Nehisi Coates in seinem Bestseller „Zwischen mir und der Welt“ beschreibt, wie es sich heute anfühlt, als Schwarzer in den USA aufzuwachsen, bezieht er sich auf Baldwins Essay „The Fire next Time“; HipHop-Stars wie Jay-Z und Beyoncé zitieren Baldwin in ihren Musikvideos, und nachdem bereits die Baldwin-Dokumentation „I am not your Negro“ vor zwei Jahren für Aufmerksamkeit sorgte und mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde, hat jetzt auch Barry Jenkins einen Baldwin-Roman verfilmt.

Überraschenderweise fiel die Wahl des Oscar-prämierten „Moonlight“-Regisseurs auf das weniger kämpferische und von der Kritik häufig übersehene Spätwerk „Beale Street Blues“, in dem Baldwin die alle Hindernisse trotzende Liebe und den Familienzusammenhalt gegen den institutionalisierten Rassismus auffährt: Im Harlem der 1970er wird Fonny Hunt (Stephan James) beschuldigt, eine Puerto Ricanerin vergewaltigt zu haben.

„Beale Street“: Liebesfilm mit Untertönen

Eigentlich steht außer Frage, dass Fonny die Tat begangen haben kann – doch die Polizei drängt das Opfer bei einer Gegenüberstellung, Fonny als Täter zu identifizieren. Und als Alibizeugen haben weder Fonnys Verlobte Tish Rivers (KiKi Layne) noch Daniel, ein erst kürzlich aus langer Haft entlassener Schwarzer, ein Gewicht. Unterstützt von ihrer Familie versucht die schwangere Tish gegen das übermächtige Rechtssystem aufzubegehren und Fonnys Unschuld zu beweisen.

Jenkins inszeniert „Beale Street“ nicht als Krimidrama oder Justizthriller, sondern als Liebesfilm, den er deutlich zurückhaltender als „Moonlight“ und fast schon klassisch erzählt. Er nimmt sich sehr viel Zeit, um die Beziehung von Fonny und Tish mit in weiches Licht getauchten Bildern zu erzählen. Mit seinen satten Farben und den Kostümen ist der Film ganz klar in den 1970ern verortet – lediglich mitunter eingeblendete Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die Verhaftungen, Demonstrationen und Polizeibarrikaden zeigen und nicht eindeutig einer Ära zuzuordnen sind, sprengen die historische Verortung.

Auch die zahlreichen Kommentare aus dem Off belegen, dass Jenkins möglicherweise mit ein bisschen zu viel Respekt vor Baldwins Text ans Werk gegangen ist. So ist „Beale Street“ ein handwerklich perfekter und mit großartigen Darstellern besetzter Liebesfilm, der emotional aufbegehrt. Das ist nicht wenig – aber revolutionär ist es nicht.

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