TV-Tipp: Kirill Serebrennikovs „Leto“ auf Arte
Bei dem aktuell in Hamburg lebenden russischen Regisseur ist auch ein Musikfilm politisch – denn in Moskau wird Serebrennikov noch immer verfolgt.
Von Kirill Serebrennikov hätte man ein irgendwie politisches Statement erwartet: Der russische Theaterregisseur ist zwar nicht wirklich ein Widerständler, aber durchaus ein Freigeist, der im repressiven Putin-Staat aneckt und entsprechend verschiedentlich verfolgt wird – aktuell hält er sich in Hamburg auf, wo er am Thalia Theater gleich mehrere Stücke inszeniert. „Leto“ (Russisch für „Sommer“) von 2018 aber ist nicht politisch, sondern ein Musikfilm, ein Porträt der Leningrader Punkszene der Achtziger.
Serebrennikov erzählt keine stringente Geschichte, sondern wirft Schlaglichter auf die aufstrebende Band Kino um Sänger Viktor Zoi (Teo Yoo): ein drogenschwangerer Nachmittag am Strand, ein Streit mit einer Zensorin, ein Auftritt, eine zarte Romanze mit der Frau eines befreundeten Sängers, gefilmt in Schwarz-Weiß. Das erinnert mal an Anton Corbijns Joy-Division-Biopic „Control“, mal an Andreas Dresens „Gundermann“, und immer, wenn man glaubt, diesen Film verstanden zu haben, zieht Serebrennikov eine weitere Ebene ein.
Mal mit einer „Das hier ist nie passiert“-Distanzierung, mal mit eigenartigen Musicalnummern zu Songs von den Talking Heads, Iggy Pop und Lou Reed – Brüche im nüchternen Handkameragestus des Films, die mit Störungen, Farbsprengseln und Schriften arbeiten und zeigen, dass Serebrennikov viel versteht von Musikvideoästhetik. Am Ende steht keine Politik, aber ein Loblied auf das stille Nichteinverstandensein einer jugendlichen Bohème – schon zu viel Opposition in der russischen Gesellschaft der Gegenwart.