„Underdressed at the Symphony“ von Faye Webster: Dresscode egal
Wenn die Singer/Songwriterin Faye Webster ein Trennungsalbum aufnimmt, spielen dabei eBay-Suchverläufe und Lego-Accessoires eine große Rolle.
Wer einmal den Dresscode ignoriert hat und als einzige Person mit Sneakern bei einer Hochzeit aufgekreuzt ist, weiß, wie unangenehm exponiert man sich für den Rest des Abends fühlt. Und doch soll es Leute geben, die Gefallen an solchen Momenten finden. Etwa Faye Webster: In der kreativen Schaffensphase zu ihrem neuen Album „Underdressed at the Symphony“ ist die Singer/Songwriterin aus Atlanta oft spontan in die Symphonie gegangen, sodass schlicht die Zeit fürs große Umstyling gefehlt hat. „Mir gefiel, dass ich nicht das Gefühl hatte, dazuzugehören“, so die 26-Jährige augenzwinkernd. Was allerdings weniger Ausdruck masochistischer Selbstkasteiung als die therapeutische Bewältigungsstrategie einer beschissenen Zeit gewesen ist, wie Webster rückblickend erklärt. Und so ist ihre fünfte Platte ein Break-Up-Album, das heraussticht.
„Underdressed at the Symphony“: Ein Break-Up-Album, das heraussticht
War ihr vorangegangenes Album „I know I’m funny haha“ noch von einem stringenten Sound geprägt, verleiht Webster ihrem R’n’B-Folk-Hybrid nun tiefere Texturen: lange Pausen, harte Breaks, rockige Passagen, Reprisen, Streicher, Kinderzimmer-Xylophone. Dabei gelingt ihr das Kunststück, allein die Produktion mit einem so trockenen Humor auszustatten, der sonst erst durch ihr lapidares Songwriting entsteht. Es ist ein Fest, der diebischen Freude beizuwohnen, mit der die US-Amerikanerin die Regeln eines sentimentalen Singer/Songwriter-Albums einreißt. So wird der Trennungsschmerz in Alltäglichkeit ertrunken: Webster singt von ihrer „ebay Purchase History“ und einem „Lego Ring“, den sie unbedingt haben will. Im Titelsong stellt sie fest: „Spend money just to feel something“. Wer hier ironische Distanz als Abwehrmechanismus vermutet, irrt jedoch, und dass sich Liebeskummer nur schwerlich wegkonsumieren lässt, weiß Webster selbst.
„Ich habe während dieser Platte beim Songwriting einen Punkt erreicht, an dem ich dachte: Mann, ich habe viel gesagt“, kommentiert Webster die Plauder-Stimmung, in die sie während des Albums geraten ist. Gerade weil es einige Songs als Erstversuch aufs Album geschafft haben, war die Angst, sich zu verplaudern, durchaus berechtigt. Und so brechen zwischen all der spielerischen Leichtigkeit Sehnsucht („Thinking about you“), Zweifel („Wanna quit all the Time“) und toxische Selbstvergewisserungen („He loves me yeah!“) durch, ohne sich je zur tiefenpsychologischen Selbstanalyse aufzublasen. Dass die Sängerin und passionierte Jo-Jo-Spielerin die Distinktion liebt, ist unüberhörbar. Sollte dieses Album aber nur annähernd so gut ankommen wie das letzte, dürfte es zunehmend schwierig werden, den Außenseiterkult aufrechtzuerhalten.