„Verleugnung“ beim RBB: Nazis vor Gericht – gut so!
Im Jahr 2000 verklagt Holocaustleugner David Irving die Historikerin Deborah Lipstadt, weil sie ihn einen Lügner genannt hatte. Der Film erzählt den folgenden Prozess.
Heute beim RBB und bis 28. Januar in der ARD-Mediathek zu finden: Verleugnung“ erzählt die Geschichte des Gerichtsprozesses, den der Holocaustleugner David Irving (im Film: Timothy Spall) im Jahr 2000 gegen die jüdische Holocaustforscherin Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) führte, wegen Verleumdung. Lipstadt hatte Irving in ihrem Buch „Leugnen des Holocaust – Rechtsextremismus mit Methode“ als Faktenverdreher und Geschichtsverfälscher bezeichnet. Irving verklagte sie 1996, in Großbritannien. Denn dort kennt das Justizsystem das Unschuldsprinzip nicht: Bei einer Verleumdungsklage liegt die Beweispflicht beim Angeklagten, nicht beim Kläger, wie es in Amerika und Deutschland der Fall ist.
Ausgehend von dieses Konstellation entwirft „Verleugnung“ praktisch ein Handbuch für den Umgang mit Geschichtsrevisionisten, Rassisten und Antisemiten. Lipstadts Anwälte Richard Rampton (Tom Wilkinson) und Anthony Julius (Andrew Scott, „Ripley“) haben eine klare Strategie: Sie wollen beweisen, dass Irving wirklich ein Lügner und Verfälscher ist, Lipstadt somit Recht hatte, und Irvings Klage scheitert. Eine Gratwanderung, denn sie dürfen sich nicht darauf einlassen, den Holocaust beweisen zu wollen – damit würden sie Irvings Klage und seiner Behauptung, dass die Shoah eine Erfindung der Juden sei, eine Berechtigung geben. Verlieren dürfen sie den Prozess aber auch nicht, sonst wäre die Leugnung des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte salonfähig.
Daher lenken die Anwälte den Fokus weg von Lipstadt, hin zu Irving. Sie bieten ihm keine Möglichkeiten, sich zu produzieren, sie nehmen ihm die Bühne, lassen Lipstadt und Holocaust-Überlebende nicht in den Zeugenstand. Rampton vermeidet sogar jeden Blickkontakt mit Irving, um ihm zu zeigen: So unwichtig bist du! Das Rechtssystem entzieht den Hassern und Weltbedrohern ihren Nährboden, indem es sich nicht auf deren Spielchen einlässt und eigene Spielregeln aufstellt.
David Irving: Ein Lügner wird entlarvt
Irving, der eigentlich Lipstadt angreifen wollte, gerät mehr und mehr selber in den Mittelpunkt; alles, was er behauptet, wird von Rampton und den Experten im Zeugenstand als falsch und lügnerisch entlarvt. Manualeintrag für die Gegenwart: Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit muss man den lügenden Hetzern entgegenhalten, immer und immer wieder, so schwer und aufwendig das auch ist. Niemals darf man sich auf ihre Behauptungen einlassen – sie Argumente zu nennen würde nicht der Wahrheit entsprechen.
Irving verlor schließlich den Prozess, seinen Ruf als Historiker und musste Konkurs anmelden. Dieser mild hollywoodeske, hervorragend gespielte und geschriebene und immens aktuelle Gerichtsfilm ist nicht nur Inspiration und Ansporn für den zukünftigen Kampf um die Wahrheit. Er ist auch eine Warnung: In einem Interview mit der britischen Wochenzeitung Observer behauptete Irving kurz vor Veröffentlichung des Films, das Interesse an seiner Arbeit habe wieder zugenommen, und er werde übers Internet und in den sozialen Medien vor allem von jungen Leuten angesprochen. Das mag wieder eine Lüge sein – es zeigt auf jeden Fall, wie wachsam die demokratische Welt gegenüber ihren Feinden bleiben muss. Deborah Lipstadt dazu: „Wir leben in einer Welt, in der Fakten nicht mehr zählen. Das ist absolut beängstigend.“