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Was wir hinterlassen: Jayda G im Interview zu „Guy“

Jayda G
Jayda G gedenkt mit „Guy“ ihrem verstorbenem Vater. (Foto: Nabil Elderkin)

Von ihrem verstorbenen Vater hat Jayda G gelernt, nie die Hoffnung aufzugeben – was auch beim Kampf gegen den Klimawandel nützlich ist.

Jayda G im Interview zu „Guy“: „Ich liebe einfach Paradoxa“

Jayda, zu „Guy“ haben dich vor allem alte Videoaufnahmen deines Vaters inspiriert, richtig?

Jayda Guy: Mein Vater ist gestorben, als ich ungefähr zehn gewesen bin. Er wusste, dass er sterben würde, er war etwa fünf Jahre krank. Deshalb hat er entschieden, diese Aufnahmen zu machen, auf denen er von seinem Leben erzählt. Es sind insgesamt elf Stunden Material. Vor kurzem sind sie verschriftlicht worden, was wunderbar ist. Die Videos und Transkripte bilden die Basis des Albums, deswegen heißt es „Guy“ – sein und mein Nachname.

Wahnsinn, dass er elf Stunden gefüllt hat.

Guy: Mein Dad ist ein großer Geschichtenerzähler gewesen, das sind wir in meiner Familie alle. Wenn du jung bist, sind deine Eltern Superheld:innen, du denkst, sie wissen alles. Später findest du heraus, dass das gar nicht wahr ist und sie einfach nur ihr Bestes geben. Ich glaube, das war ein wichtiger Grund für ihn, diese Aufnahmen zu machen: um uns etwas zu hinterlassen, vor allem mir, weil ich ja noch so jung gewesen bin. Es hat mir ermöglicht, von ihm zu lernen, auch in späteren Teilen meines Lebens, ihm sozusagen noch einmal zu begegnen. Und das habe ich mit diesem Album getan.

Wann hast du dir die Videos das erste Mal angeschaut?

Guy: Ich weiß nicht mehr genau, aber es wird nicht allzu lange nach seinem Tod gewesen sein. Dann sind sie auf DVDs überspielt worden, die ich mir alle paar Jahre angeschaut habe, um mir gewissermaßen eine Dosis abzuholen. Aber alle elf Stunden habe ich nie geguckt, weil es einfach sehr lang ist. (lacht)

Auf „Guy“ hört man immer wieder die Stimme deines Vaters. Wie hat er darüber hinaus die einzelnen Songs inspiriert?

Guy: Jeder Song basiert buchstäblich auf einer seiner Bemerkungen. Zum Beispiel geht es in „Circle back around“ darum, wie er als Jugendlicher beim Klauen erwischt worden ist und vor der Polizei fliehen musste. Das hat eine ganze Reihe an Ereignissen losgetreten, das Sozialamt hat ihn ein Jahr lang von seiner Mutter getrennt – zum Glück durfte er danach zurück. Das ist ein zentrales Thema des Albums: Das Leben kann hart sein, aber du hast die Wahl, wie du damit umgehst. Das hat mein Vater verstanden und immer versucht, sein Leben zu verbessern.

Ist die Musik deshalb insgesamt eher vergnügt?

Guy: Ich liebe einfach Paradoxa. Wenn du zwei Dinge siehst, die eigentlich nicht zusammenpassen, bringt dich das zum Nachdenken. Wie alle Menschen bin ich selbst auch ein Paradoxon: Ich bin DJ und Produzentin, habe aber auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Genau so ist das Thema des Albums sehr emotional und persönlich, aber zugleich ist die Musik tanzbar und freudig. Die Tanzfläche ist ja auch ein Ort, an dem du alle Emotionen rauslassen kannst.

Hat dein Vater auch deinen Musikgeschmack geprägt?

Guy: Total, meine Eltern haben Musik immer geliebt. Meine Mutter vor allem klassische Musik, Jazz und Oper, ich bin darum selbst großer Opernfan. Bei meinem Vater sind es eher R’n’B und Soul gewesen. Wir sind eine Familie, in der getanzt wird. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass ich beim Dance gelandet bin. (lacht)

„Diese Systeme sind geschaffen worden, damit eine sehr konkrete Gruppe Menschen es nach oben schafft, während der Rest unten bleibt.“

Du hast die andere Seite des Paradoxons ja schon selbst erwähnt: Deine zweite Karriere als Wissenschaftlerin und Umweltaktivistin. Hier in Deutschland ist der Umgang mit der Klimakrise aktuell ziemlich katastrophal …

Guy: Es geht um viel mehr als nur den Klimawandel. Wenn man tief genug gräbt, geht es in Wahrheit um die Systeme, auf denen unsere Gesellschaft basiert. Diese Systeme sind geschaffen worden, damit eine sehr konkrete Gruppe Menschen es nach oben schafft, während der Rest unten bleibt. Der Klimawandel ist ein Resultat dieses Wertesystems, das sich nicht um Menschen schert, die arm sind, anderen Ethnizitäten oder Kulturen angehören oder eine andere Hautfarbe haben.

Geht es darum auch in deiner Doku „Blue Carbon“, die im Herbst rauskommen wird?

Guy: Ja, die zentrale Aussage des Films ist, dass die Menschen in Entwicklungsländern am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden. Was bedeutet das für uns im Westen? Wir können das natürlich nicht einfach ignorieren. Es geht darum, sich andere Systeme anzuschauen, andere Herangehensweisen, und Hoffnung in eine Situation zu bringen, die hoffnungslos scheint.

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