„Weapons“ im Kino: Die Stadt der verschwundenen Kinder

Das Drehbuch, das alle verfilmen wollten: Endlich ist mit „Weapons“ der am heißesten erwartete Horror des Sommers da. Aber hält der Hype, was er verspricht?
Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass mit „Longlegs“ der meistgehypte Horrorfilm des Jahres 2024 in den deutschen Kinos gestartet ist. Eine geniale Marketing-Kampagne hat dafür gesorgt, dass die Erwartungen denkbar hoch waren – vielleicht ein wenig zu hoch, denn einige Fans waren am Ende enttäuscht. Was „Longlegs“ für 2024 war, ist 2025 „Weapons“: Gerade im Internet ist die Geschichte hinter dem Horrorfilm von Zach Cregger seit Monaten Gesprächsthema, insbesondere die Tatsache, dass mehrere Produktionsfirmen sich um das Drehbuch gestritten haben und unter anderem Horror-Ikone Jordan Peele ein Auge darauf geworfen hatte, ehe Drehbuchautor Cregger selbst sich durchsetzen konnte. Ein paar effektive Trailer, ein hochkarätiger Cast und ein zentrales Rätsel tun ihr Übriges: Viele Fans können es gar nicht erwarten. Heute läuft „Weapons“ endlich in den Kinos an. Aber hält der Hype, was er verspricht?
Schon mit seinem Debüt „Barbarian“ von 2022 hat Zach Cregger sich als neue Horror-Hoffnung etablieren können. Mit „Weapons“, so der Filmemacher im Vorfeld, wolle er in jeglicher Hinsicht noch einen draufsetzen. Als zentrale Inspiration nennt er ausgerechnet Paul Thomas Andersons „Magnolia“ – kein Horrorfilm, dafür ein Epos mit mehreren Handlungssträngen, die sich erst nach und nach zusammenfügen. Tatsächlich ist „Weapons“ ganz ähnlich strukturiert, und es ist dieser nicht-lineare Aufbau, gepaart mit für einen Horrorfilm ungewöhnlich komplexen Figuren, die die größten Stärken des Films ausmachen. Das Geheimnis im Zentrum wiederum, das als Ausgangspunkt dient, verliert dafür an Kraft, sobald es in der zweiten Hälfte gelöst wird. Zum Glück hat Cregger bis dahin einen derart überzeugenden Mikrokosmos geschaffen, dass der Film trotzdem nicht kollabiert.
„Weapons“: Ein unwiderstehliches Mysterium
Aber der Reihe nach. Das Mysterium, das am Anfang von „Weapons“ steht, ist tatsächlich unwiderstehlich. Wie uns eine Kinderstimme zu Beginn des Films erzählt, sind über Nacht 17 Kinder aus der Klasse von Justine Gandy (Julia Garner) verschwunden: Alle sind um Punkt 2:17 Uhr aus ihren Betten aufgestanden, haben die Haustür geöffnet und sind in die Dunkelheit gerannt – und seitdem unauffindbar. Dass Eltern wie Archer (Josh Brolin) Justine im Verdacht haben, etwas damit zu tun zu haben, ist verständlich, immerhin ist mit Alex (Cary Christopher) nur ein einziger Junge aus der Klasse am nächsten Morgen zur Schule gekommen. Trotzdem fühlen wir mit Justine, als ihr Auto beschmiert und sie mit anonymen Anrufen terrorisiert wird. Doch das ist erst der Anfang der unheimlichen Entwicklungen, denn auch Justine will unbedingt erfahren, was mit den Kindern passiert ist. Schade, dass Schulleiter Marcus (Benedict Wong) ihr verboten hat, mit Alex zu sprechen. Natürlich hält sich Justine nicht lange an das Verbot und entfesselt eine Reihe von Ereignissen, die nicht nur sie selbst, Archer und Marcus in Gefahr bringen, sondern auch ihren Ex, den schmierigen Polizisten Paul (Alden Ehrenreich), den obdachlosen, drogensüchtigen Anthony (Austin Abrams) und potenziell die ganze Stadt.
Ein Film in zwei Hälften
Man merkt es bereits: „Weapons“ ist mit über zwei Stunden nicht nur ein Kleinstadt-Epos, sondern auch ein waschechter Ensemblefilm. Creggers hat die Handlung in Kapitel aufgeteilt, die jeweils einer der Figuren folgen, und sich diese Struktur für Horror-Zwecke zunutze gemacht. Denn jedes Mal, wenn ein Segment einen besonders schockierenden Punkt erreicht oder eine unerklärliche Gefahr auftaucht, springt Creggers einfach zu einer anderen Person – und gern auch mal in der Zeit zurück. Auf diese Weise kann er die Spannung weitaus länger aufrechterhalten, ohne auf den Horror zu verzichten. Dieser geniale Schachzug ist die Geheimwaffe von „Weapons“: Solange wir miträtseln, teilen wir die Verzweiflung, die Hilflosigkeit, den frustrierten Zorn von Archer und Justine, und lange Zeit ist überhaupt nicht abzusehen, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln wird. Mehrere Jumpscares in der ersten Hälfte gehören dabei zu den effektivsten seit Jahren.
Natürlich muss Creggers das Geheimnis um die verschwundenen Kinder irgendwann lüften, und ab diesem Punkt wird „Weapons“ von einem brillanten zu einem lediglich sehr guten Horrorfilm. Doch die geleistete Vorarbeit reicht aus, damit wir am Ball bleiben, bis zum Ende, das dann doch sehr befriedigend ist. Dabei hilft auch der schwarze Humor, der sich vor allem in den Figuren äußert: Justine, Archer oder Paul sind alles andere als perfekt, sie haben Schwächen und Laster, und ihre Reaktionen auf die unerklärlichen Ereignisse sind oft unweise – aber jederzeit nachvollziehbar.
Fazit: Taugt der Vergleich mit „Longlegs“?
Dabei will Creggers auch thematisch auf mehr hinaus: Topoi wie Massenhysterie, Verschwörungstheorien, Polizeigewalt und die Sicherheit – oder eben mangelnde Sicherheit – an US-amerikanischen Schulen sind in der Geschichte angelegt. Andere Themenkomplexe kommen hinzu, die hier nicht besprochen werden können, ohne die Handlung zu spoilern. Doch ein thematisch vollkommen geschlossener Horrorfilm wie – um zu Jordan Peele zurückzukehren – „Get out“ oder „Wir“, bei dem jedes Plotelement als Metapher dient und kein Detail verschwendet wurde, ist „Weapons“ nicht geworden. Auch die Bedeutung des Titels ist zuletzt weniger signifikant, als das Marketing teilweise vermuten lässt. Klar, gewisse Parallelen zur aktuellen Situation in den USA drängen sich auf, doch inwieweit die von Creggers beabsichtigt sind, bleibt fraglich. Fast wünscht man sich, er hätte bestimmte Aspekte der Handlung weiterverfolgt, anstatt die Richtung einzuschlagen, die die zweite Hälfte des Films bestimmt. Die Ähnlichkeiten mit „Longlegs“ sind nicht von der Hand zu weisen, auch wenn Creggers auf Maximalismus statt auf Klaustrophobie gesetzt hat. Und so ist auch das Schlussurteil so ähnlich wie vor einem Jahr: Das große Horror-Meisterwerk des 21. Jahrhunderts ist „Weapons“ nicht geworden – doch wer sich auch nur grob für das Genre interessiert, sollte den Film trotzdem nicht verpassen.