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„Wir sind dann wohl die Angehörigen“ bei Arte

Wir sind dann wohl die Angehörigen Arte
Die Polizisten (Yorck Dippe, li., Enno Trebs, 2.v.l.) sprechen mit dem Sohn (Claude Heinrich, sitzend) und der Frau (Adina Vetter, re.) des Entführten. Mit dabei: Rechtsanwalt Schwenn (Justus von Dohnányi, vo.) und Christian Schneider (Hans Löw, stehend) (Foto: Julian Krubasik)

Als 1996 der Sozialforscher und Mäzen Jan Philipp Reemtsma entführt wird, beginnt für seine Familie eine qualvolle Zeit.

Regisseur Hans-Christian Schmid hat mit „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ das gleichnamige Buch von Johann Scheerer verfilmt, der darin die Entführung seines Vaters im Jahr 1996 verarbeitet, des Sozialforschers und Mäzens Jan Philipp Reemtsma. Jetzt auf Arte und bis 11. Mai in der Arte Mediathek.

Johann Scheerer hat in seinem Buch das traumatische Erlebnis verarbeitet. Die unterschiedlichen Interessen von Familie und Polizei führen schließlich dazu, dass Johanns Mutter Ann-Kathrin Scheerer, kongenial gespielt von Adina Vetter, sich im Lauf der Handlung von der Polizei abwendet und mit Hilfe eines Pfarrers und einer Security-Firma bei der Übergabe der 20 Millionen Mark an die Entführer komplett eigene Wege geht.

Schmid, der von der Polizei über die involvierten Freunde der Familie bis hin zum vermittelnden Pfarrer mit allen Beteiligten im Vorfeld intensive Gespräche geführt hat, gibt den Entführern im Film keine Sekunde. Zwei Stunden Handlung sind vielmehr ausschließlich Reemtsmas Frau und seinem Sohn gewidmet. Letzterer ist zwar das Zentrum der Handlung und wird von Claude Heinrich in der Zurückgezogenheit des Pubertierenden bis hin zum Aufbegehren sensibel gespielt. Doch wenn Ann-Kathrin Scheerer oder Rechtsanwalt Johann Schwenn (Justus von Dohnányi) aufbrechen, um das Geld zu übergeben, oder mit der Polizei sprechen, verlässt die Kamera den Jungen.

Dichtes und sensibeles Psychogramm

„Wir sind dann wohl die Angehörigen“ zeigt, wie die Frau und der Sohn des Entführten bis zum Zusammenbruch – die Psychoanalytikerin Ann-Kathrin Scheerer läuft in der Polizeizentrale gegen eine gut geputzte Glastüre: ein treffendes Bild für die Situation – die Opferrolle verweigern. Eine der Konsequenzen: Gute Freunde der Familie wie Rechtsanwalt Schwenn oder Christian Schneider (Hans Löw) werden während der 33 Tage dauernden Entführung zwischen den Polen der Familie und der Polizei zerrieben. Hans-Christian Schmid („Nach Fünf im Urwald“, „Requiem“) aber ist ein überaus dichtes und sensibles Psychogramm einer Familie in absoluter Ausnahmesituation gelungen.

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