Youn Sun Nah über „Elles“: Königin der Löwinnen
Auf „Elles“ huldigt Youn Sun Nah den Frauen, die ihren Weg als Künstlerin geprägt haben – auch wenn die gar nicht unbedingt davon wissen.
Youn Sun, auf dem Vorgänger „Waking World“ hast du erstmals nur deine eigenen Kompositionen gesungen. Mit „Elles“ legst du jetzt ein reines Coveralbum vor. Wie ist es dazu gekommen?
Youn Sun Nah: Ich wollte schon lange ein Album nur mit Klassikern machen, habe mich dafür aber nicht bereit gefühlt. Jetzt habe ich mir gesagt: Vielleicht ist es an der Zeit. Also habe ich begonnen, Songs zu sammeln, die ich seit langem liebe. Beim Sammeln ist mir aufgefallen, dass die meisten von ihnen von Frauen gesungen wurden. Die Liste wurde immer länger, ich musste sie dramatisch kürzen. (lacht)
Wie hast du die Auswahl getroffen?
Nah: Am Ende habe ich zehn Songs ausgesucht, zu denen ich eine persönliche Verbindung spüre. Mit allen assoziiere ich eine lebhafte Erinnerung. Und ich musste bei allen das Gefühl haben, dass ich selbst sie lebendig rüberbringen kann.
Spürst du einen Unterschied zu Songs, die man mit Männern assoziiert?
Nah: Es ist witzig, denn irgendwann habe ich erkannt, dass die meisten Lieder, die ich interpretiert habe, von Männern gesungen wurden. (lacht) Bei der Vorbereitung zu diesem Album habe ich aber durchaus etwas Besonderes bemerkt: Ich fühle mich von der weiblichen Stimme stärker angezogen.
Was ist deine Beziehung zu den verschiedenen Künstlerinnen, die sich auf der Platte finden?
Nah: Ich bin so stark von diesen Frauen beeinflusst, ihren Liedern, ihren Persönlichkeiten. Sie sind Pionierinnen – ich verdanke es ihnen, dass ich heute hier bin. Und sie hören nie damit auf, sich neu zu erfinden. Björk etwa kann sehr zerbrechlich sein, hat aber auch keine Angst, sich vor dem Mikrofon komplett zu entblößen. Und Maria João kann klingen wie eine Löwin, doch bei anderen Liedern ist es, als würde ein kleines Kind sie singen. Ich bin von Natur aus eine introvertierte Person, und all diese Sängerinnen haben etwas, das mir fehlt. Vielleicht finde ich sie auch deshalb so attraktiv.
Wann bist du den Liedern auf dem Album zum ersten Mal begegnet?
Nah: Als ich angefangen habe, Jazz zu studieren, war ich 26. Ich erinnere mich an mein erstes Jahr in Paris. Damals dachte ich: Oh, ich habe die falsche Wahl getroffen, weil ich eine ganz andere Stimme habe als Ella Fitzgerald oder Billie Holiday. Aber meine Lehrer:innen haben mir beigebracht, dass Jazz nicht nur eine Farbe hat, und mich ermutigt, mir andere Sängerinnen anzuhören. Sie waren meine Retterinnen.
Der letzte Track ist „Killing me softly with his Song“ – ein Lied, das gleich zwei Frauen als Cover berühmt gemacht haben: Roberta Flack und Lauryn Hill von den Fugees.
Nah: Ehrlich gesagt kannte ich die Fugees-Version gar nicht, nur die von Roberta Flack. Dieser Song ist mir sehr wichtig, und er ist noch bedeutsamer geworden, als ich Roberta ihn live habe singen hören. Sie zu sehen, wie sie allein Klavier spielt und dieses Lied singt – ich habe mich gefragt, ob ich träume. Seitdem trage ich den Wunsch mit mir herum, es zu covern.
Hast du sie darauf angesprochen?
Nah: Bloß nicht, dazu bin ich viel zu schüchtern! (lacht)