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Zwei Seelen, ein Gedanke: The Kills im Interview zu „God Games“

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The Kills (Foto: Myles Hendrik)

Nein, an Gott glauben The Kills trotz des Titels ihrer neuen Platte nicht. Dafür aber an die Macht der Musik – und an die Telepathie.

Alison, Jamie, ihr beschreibt „God Games“ als eine Sammlung von gottlosen Spirituals …

Jamie Hince: Beim Schreiben sind irgendwie viele religiöse Themen aufgekommen, und ich mochte die Idee von Gospelsongs, die atheistisch sind. Ich glaube nicht an Gott, aber wenn man Songs schreibt oder überhaupt kreativ ist, kann man sich bei diesem Komplex bedienen, auch wenn er nicht Teil des eigenen Alltags ist. Das Bild einer höheren Macht ist ein gutes Werkzeug.

Alison Mosshart: Wir spielen immer mit der Dynamik von hell und dunkel, gut und böse. In den meisten meiner Texte geht es um die Beziehungen zwischen Menschen, die Komplikationen und Verwirrungen. Als Mensch versuchst du immer, andere Menschen zu verstehen – und in letzter Instanz dich selbst. Der Begriff des gottlosen Spirituals fasst dieses Streben perfekt zusammen.

Was tritt dann an die Stelle von Gott? Menschen, Musik oder etwas ganz anderes?

Mosshart: Ich glaube jedenfalls nicht, dass Gott ein langhaariger Typ in den Wolken ist. (lacht) Es ist die Suche und die Reise, die Neugier. Das, was du nicht verstehst und nie verstehen wirst – das ist Gott. Das ist auch gar nichts Schlimmes, sondern etwas Großartiges, denn nur deshalb wachst du jeden Morgen auf: weil du etwas verstehen willst.

„Das, was du nicht verstehst und nie verstehen wirst – das ist Gott.“

Spiegelt sich das auch in der Art, wie ihr Songs schreibt?

Hince: Bei uns steht das Konzept nie am Anfang, es ergibt sich nach und nach. Wenn man Songs schreibt, kommt man gut damit klar, wenn sie keine explizite Bedeutung haben. Die Hörer:innen wünschen sich später eine, aber das ist dann ihr Problem.

Mosshart: Vor allem Journalist:innen wünschen sich das. Fans wollen meistens, dass es in den Songs um sie geht. Das ist ja das Coolste an der Musik, dass du sie auf dich beziehen kannst – egal, wer sie geschrieben hat.

Ihr habt das Album in einer umgebauten Kirche aufgenommen, und auf einigen Tracks ist ein Chor zu hören. Ist die Religion auch klanglich präsent?

Mosshart: Wir lieben Gospelchöre! In der Vergangenheit haben wir schon öfter mit Chören gearbeitet, sie ziehen uns einfach an. Aber die Bläser und der New-Orleans-Einfluss …

Hince: Wir fanden die Songs, die wir nicht auf der Gitarre geschrieben haben, am aufregendsten. Immer, wenn ich zur Gitarre gegriffen habe, hat meine Hand dieselbe Form angenommen. Ich wollte endlich mal aus einem anderen Winkel komponieren. Das haben wir früher schon gemacht, aber nie so intensiv: Bei zehn von zwölf Songs ist die Gitarre als letztes dazugekommen. Allison fällt es sowieso leicht, Lyrics zu schreiben, aber mir persönlich hat dieser Ansatz geholfen. Es hat sich alles fließender angefühlt, die Worte sind sehr früh gekommen.

„God Games“: Das neue Album von The Kills

Das ist ungewöhnlich bei dir?

Hince: Schon.

Mosshart: Total, und noch dazu waren sie unglaublich gut. Du hast sie mir geschickt, und ich war nur so: Warte mal, Moment – die sind ja super! (lacht)

Hince: Wenn ich Gitarre spiele, konzentriere ich mich darauf und versuche, die Texte daran anzupassen. Dieses Mal habe ich zum ersten Mal beschlossen, keine Musik zu schreiben, bevor die Lyrics stehen.

Alison, du hast auch einen anderen Ansatz gewählt als sonst, richtig?

Mosshart: Jamie hat mir vorgeschlagen, auf einem Keyboard zu schreiben. Sonst schreibe ich immer auf der Akustikgitarre, was jede Menge Probleme verursacht, weil wir es danach auseinandernehmen und in etwas verwandeln müssen, das wir tatsächlich spielen wollen. Es war toll, auf einem Klavier zu schreiben, obwohl ich es gar nicht spielen kann. Ich brauche nur ein paar Tasten, um eine Melodie zu finden. Sofort sind ganz viele Ideen gekommen, die ich auf der Gitarre wohl nie gefunden hätte.

Habt ihr mal darüber gesprochen, wieso das Schreiben euch so unterschiedlich leichtfällt?

Mosshart: Wir reden über Texte, aber ich könnte nie irgendwem Tipps zum Schreiben geben. Sie landen einfach in meinem Schoß. Es kommt bei mir ganz von allein, wie bei Jamie die Gitarre.

Hince: Mittlerweile sind wir fast telepathisch verbunden. Wir verstehen vieles, ohne explizit darüber zu reden. Es gibt jetzt nicht den Punkt, wo wir fragen: Was bedeutet dieser Text von dir?

Mosshart: Du fragst allerdings oft: Was singst du da? Ich kann dich akustisch nicht verstehen! (lacht)

Auf dem Cover ist eine Szene aus einem Stierkampf zu sehen. Was ist für euch die Verbindung zwischen Bild und Musik?

Hince: Als ich in mein Haus in Los Angeles gezogen habe, hing ein ähnliches Bild über dem Kamin. Vor allem während der Pandemie habe ich jeden Tag auf dem Sofa gesessen und darauf gestarrt. Es ist eine Metapher für das Menschsein: Wir sind so barbarisch und grausam, wickeln das aber in Zeremonien und Traditionen ein. Ich mag auch die Tatsache, dass es ein schlechtes Amateurbild ist. Das erinnert mich an selbst gemalte Bilder der Jungfrau Maria und so.

Mosshart: Sobald wir den Titel hatten, haben wir zum Bild hinaufgeschaut und waren uns einig, dass es das passende Motiv ist. Das Matador-Ding ist zugleich sehr hässlich, sehr erschreckend, aber auch sehr schön. Wenn eine Partei Gott sein müsste, wäre es der Stier. (lacht)

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