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„All the Way to the River“ von Elizabeth Gilbert

Buchcover: „All the Way to the River“ von Elizabeth Gilbert

Die „Eat, Pray, Love“- Autorin Elizabeth Gilbert erzählt in „All the Way to the River“ von ihrem Leben mit Rayya Elias – und verhandelt Themen wie Tod, Sucht und Co-Abhängigkeit.

Elizabeth Gilbert berichtet in ihren Memoiren von dem Leben mit Rayya Elias: Musikerin, Friseurin, Autorin von „Harley Loco: A Memoir of Hard Living, Hair and Post-Punk, from the Middle East to the Lower East side“ – und über 15 Jahre lang Elizabeths beste Freundin und schlussendlich Lebenspartnerin.

Die beiden lernen sich 2000 kennen, als Rayya, gerade raus aus der aktiven Drogenabhängigkeit, auf Empfehlung einer Freundin Elizabeths Haare schneidet. Sie sind bereits beim ersten Treffen voneinander fasziniert – doch was wie der idyllische Beginn einer Freundschaft oder romantischen Beziehung anmutet, entpuppt sich als weitaus komplizierter. Denn sowohl Elizabeth als auch Rayya sind Süchtige: Während Rayya primär opioidabhängig ist, hat Elizabeth eine ganz andere, nicht an Substanzen gebundene Sucht.

Elizabeth beschreibt sich als sex- und liebessüchtig – geprägt von einem übermäßigen Drang nach emotionaler Abhängigkeit.

Konkret bedeutet das, dass sie ständig in co-abhängigen Beziehungen landet, die von übermäßiger Hingabe und Anforderungen an die andere Person geprägt sind – wie auch ihr Verhältnis zu Rayya von Anfang an. Denn Elizabeth tut alles, um Rayya in ihrem Leben zu behalten, bietet ihr eine kostenlose Bleibe an und motiviert sie dazu, ihre Vergangenheit niederzuschreiben. So bindet sie Rayya an sich, die dankbar einwilligt.

„Und wonach genau sehnte ich mich? Nach Zugehörigkeit, Bestätigung, Unterstützung, Hingabe, Verbundenheit, Bedeutung und einem Zuhause.“

Rayya und Elizabeth sind schon nach kurzer Zeit unzertrennlich, doch in diesen Jahren ist Elizabeth noch mit ihrem Mann verheiratet (übrigens der, den sie am Ende von „Eat, Pray, Love“ geliebt hat).

Rayya bekommt eine tödliche Diagnose – und Elizabeth gesteht ihr ihre wahren Gefühle

Die beiden führen ein augenscheinlich-glückliches Leben als beste Freundinnen, bis bei Rayya im Jahr 2016 Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs diagnostiziert wird. Als es heißt, dass ihrer besten Freundin nur noch wenige Monate bleiben, realisiert Elizabeth, dass Rayya für sie mehr ist als nur eine Freundin – und die beiden werden für den letzten Abschnitt von Rayyas Leben ein Paar.

„ ,Ich will, dass du mich bis zum Fluss begleitest‘, erklärte sie an dem Tag, als der unheilbare Krebs diagnostiziert wurde, und ich versprach es ihr.“

Doch schon bald nehmen ihre Süchte überhand – Rayya wird mit fortschreitendem Krebs stark rückfällig und nimmt nahezu alle Drogen, die man sich vorstellen kann. Die Umstände veranlassen Elizabeth dazu, ihr gesamtes Leben für Rayya aufzuopfern und im Gegenzug verzweifelt Dankbarkeit und Bedürftigkeit zu erwarten – vollständig und unterbewusst kontrolliert von ihrer Sex- und Liebessucht.

Waren die beiden anfangs durch die gefundene Liebe in einem High, so verliere sie sich dann in einem tiefsten Low – bestimmt von Exzess, Impulsivität, Alkohol und gegenseitiger Co-Abhängigkeit.

Rayya gerät erneut vollständig in die Spirale der Drogenabhängigkeit – und das düstere Schicksal nimmt seinen Lauf

Nach einiger Zeit wirkt Rayya wie ausgewechselt – doch Elizabeth, die sich verzweifelt nach Zuneigung und Nähe zu der alten Rayya sehnt und sich ihrer eigenen Sucht noch nicht bewusst ist, schafft es nicht, von ihr wegzukommen. Rayya beschimpft sie auf endlosen Drogentrips, lässt sie nicht schlafen und gibt ihr für alles die Schuld. Elizabeth lässt es über sich ergehen. In ihrer Verzweiflung und Ohnmacht kommt in ihr zeitweilig sogar der Wunsch auf, Rayya umzubringen.

„ ,Scheiße, was glotzt du so?‘, blaffte sie, hob einen Moment den Blick von ihren geliebten Kokainhaufen und starrte mich durch blauen Zigarettendunst an – mit feindseligen Augen, die, soweit ich mich erinnern konnte, seit Tagen nicht geblinzelt hatten. Ich glotzte wegen einer Person, die unlängst aus einem Hospiz geflogen war (wer fliegt bitte aus einem Hospiz?)“

Irgendwann erkennt Elisabeth ihr eigenes Suchtproblem und schafft es, von der geliebten Rayya loszkommen – und diese wird durch eine befreundete Person zurück in die Nüchternheit gebracht. Kurz vor Rayyas Tod sehen sich die beiden wieder, und Rayya stirbt mit Elizabeth an ihrer Seite. Elizabeth, die ihrem sucht-geleiteten Verhalten nicht mehr aus dem Weg geht, nimmt mittlerweile an Treffen für Sex- und Liebessüchtige geht.

Elizabeth Gilbert zeigt sich in „All the Way to the River“ von allen Seiten – und findet mutige Worte und Geständnisse, die großen Respekt verdienen.

Kennt man ihren Selbstfindungs-Bestseller „Eat, Pray, Love“, so ist man wahrscheinlich überrascht von der dunklen Seite, die Elizabeth Gilbert in „All the Way to the River“ von sich preisgibt – und gleichzeitig wirkt dieses Buch dadurch noch authentischer, noch ehrlicher, noch unbeschönigter.

Elizabeth alias Liz spricht über ihr Leben, ihre eigene Sucht sowie das Zusammenleben mit einer stark Drogenabhängigen auf eine Weise, die man selten geschrieben findet. Auch kurz vor Rayyas Tod schaut Gilbert ungeschönt auf das Leben als solches und thematisiert verschiedene Bewältigungsstrategien in scheinbar ausweglosen Situationen – in ihrem Fall ihr starker Glaube zu Gott. Dennoch wirkt ihr Buch an keiner Stelle belehrend, sondern liest sich vielmehr wie ein Tagebuch, wodurch es umso nahbarer wirkt.

„Wie viele dankbare genesende Süchtige stehe ich staunend vor allem, was bleibt – verblüfft, dass ich überhaupt etwas behalten darf, nach all den Jahren meines Wahnsinns und Ausagierens.“

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