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„Amrum“: Die Insel, die Nazis und ein Junge auf der Suche

Fatih Akins neues Drama „Amrum“ ist die Verfilmung von Hark Bohms autobiografischem Roman. „Amrum“ läuft in den Kinos.
Fatih Akins neues Drama „Amrum“ ist die Verfilmung von Hark Bohms autobiografischem Roman. „Amrum“ läuft in den Kinos. (Foto: © 2025 bombero international GmbH & Co. KG / Rialto Film GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Gordon Timpen)

Mit „Amrum“ läuft Fatih Akins neuer Film in den Kinos. Das Drama ist ein Hark-Bohm-Film, die Verfilmung von Hark Bohms autobriografischem Roman, der das Erwachsenwerden eines Teenagers mit dem Ende des Nationalsozialismus verwebt.

Fatih Akin hat mit „Amrum“ den autobiografischen Roman seines Freundes Hark Bohm verfilmt, der dies aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst tun konnte. Bohm ist in der Figur des Nanning als Jugendlicher zu sehen, der auf der Insel Amrum zwischen Coming-of-Age, Zusammenbruch des Nationalsozialismus und problematischer Mutterliebe seinen Weg finden muss. „Amrum“ läuft in den Kinos.

Im Frühjahr 1945 ist auf der Insel Amrum nichts mehr, wie es in den Jahren des Nationalsozialismus vorher war. Nur für die Mutter des 12-jährigen Nanning (Jasper Billerbeck) scheint alles ganz systemtreu weiterzugehen, was auch jetzt noch auf den Jungen abfärbt: Hille (Laura Tonke, „22 Bahnen“, „Sexuell verfügbar“) ist weiterhin stramme Nationalsozialistin und verpfeift jeden beim Ortsgruppenleiter, der die baldige Niederlage Deutschlands im Krieg erkennt und dies laut ausspricht. Tessa (Diane Kruger) ist ihr letztes Denunziationsopfer. Nanning aber ist verwirrt, wenn er auf die Erwachsenen schaut in dieser Zeit der Veränderungen. Geflüchtete aus den Ostgebieten werden auch auf der Nordseeinsel einquartiert und erfahren die gleiche Fremdenfeindlichkeit der Inselbewohner wie vorher Nanning und seine Mutter, die zwar gebürtige Amrumer sind, aber aus der Stadt zurück auf die Insel hatten fliehen müssen. Der Film „Amrum“ erzählt seine Geschichte konsequent aus der Sicht des Teenagers – Tom Sawyer war Vorbild, wie Regisseur Fatih Akin im Interview mit kulturnews erzählt. Die politischen Verwerfungen zum Ende des Krieges nimmt Nanning nur nebenbei und nicht mit voller Aufmerksamkeit wahr. Nur wenn Soldaten tot im Watt liegen oder sich überzeugte Nazis zum Kriegsende umbringen und der Junge dies mitansehen muss, wird ihm deutlich klar, dass hier gerade Größeres passiert. Nanning hat wichtigeres im Sinn als Politik, Krieg und Verbrechen: Er leidet, weil seine Mutter Depressionen hat, ihn schlecht behandelt und nichts mehr isst. Sie würde nur Weißbrot mit Butter und Honig drauf essen, sagt sie einmal, aber nichts davon gibt es zu Kriegsende auf der Insel. Und so beginnt Nanning, mit allen Mitteln die drei Dinge zu organisieren.

Nanning und Onkel Theo (Matthias Schweighöfer) in „Amrum“ von Fatih Akin.
Nanning und Onkel Theo (Matthias Schweighöfer) in „Amrum“ von Fatih Akin. Foto: Foto: © 2025 bombero international GmbH & Co. KG / Rialto Film GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Gordon Timpen

Bei Ebbe schiebt er das Rad seiner Tante durchs Watt aufs Festland, um bei Onkel Onno (Jan Georg Schütte, „Die Hochzeit“) Butter zu erbetteln. Für den Fischer Sam Gangsters (Detlev Buck, „Warum ich?“) legt er sich auf den Strand, um eine Robbe anzulocken, die Sam dann erschießt. Und beim Hausarzt Dr. Mayn (Max Hopp) fragt er (zu Recht) nach Weizen. Von Sam (Buck) aber erfährt Nanning, warum Onkel Theo (Matthias Schweighöfer) in die USA ausgewandert ist: Er hatte mit Ruth eine Jüdin geheiratet, die im KZ umgebracht wurde. Onkel Theo aber wanderte aus. Sukzessive öffnen ihm solche Erzählungen und Erlebnisse die Augen für einen besseren Blick auf die zusammenbrechende nationalsozialistische Gesellschaft. Und doch prägen Abenteuer Nannings Leben, während für manche auf der Insel ein Leben zu Ende geht und andere befreit aufatmen. Nanning – meist streift er mit seinem Kumpel Hermann (Kian Köppke) über die Insel und sucht Abenteuer – löst sich sacht, aber stetig von seiner engen Bindung zur dominanten Mutter. Fatih Akin, der mit „Rheingold“ vor wenigen Jahren das wuchtige Biopic über den jüngst verstorbenen Rapper Xatar gedreht hat, zeichnet hier mit leisen Tönen und in wunderbaren, manchmal rauen Bildern deutlich das Ende des verbrecherischsten Systems, das es je gab.

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