Fußballstar „Beckenbauer“: Franz bis ans Ende des Glücks
Der Dokumentarfilm „Beckenbauer“ zeigt Aufstieg und Fall des Fußball- und Weltstars Franz Beckenbauer in der ARD und in der ARD-Mediathek.
Der Dokumentarfilm „Beckenbauer“ ist vieles auf einmal: Er zeigt die Entwicklung des Fußballers Franz Beckenbauer vom Giesinger Buben bis hin zum Weltstar, der am Ende aufgrund seiner Tätigkeiten im Umfeld der Bewerbung Deutschlands für die WM 2006 abstürzt. Nebenbei zeigt der Film weit vor diesem Absturz Beckenbauers Entfremdung von der eigenen Familie auf, außerdem arbeitet er Beckenbauers Rolle als Popstar bei der Beschleunigung des Konsumkapitalismus heraus und benennt die massive Diskrepanz zwischen der Privatperson und der Person des öffentlichen Lebens: Die Lichtgestalt war durchwegs ein Fake, die Wahrheit lag einzig und allein auf dem Platz. Jetzt wird „Beckenbauer“ in der ARD ausgestrahlt und kann in der ARD-Mediathek gestreamt werden.
Beckenbauer: Albert Ostermaier erklärt die Dramaturgie
Der Pay-TV-Sender Sky hat Franz Beckenbauers Leben im Spielfilm „Der Kaiser“ im Jahr 2022 fiktionalisiert und ist dabei ganz nah am Spieler und am Menschen geblieben. RTL+ hat erst vor wenigen Monaten mit dem Sechsteiler „Gute Freunde – der Aufstieg des FC Bayern“ die Entwicklung der Manschaft und des Vereins von Mitte der 1960er bis Mitte der 70er verfilmt. Beide Produktionen arbeiten mit viel Humor und betonen die Schlitzohrigkeit von Spielern wie Beckenbauer und Sepp Maier – lediglich Gerd Müller wird in „Gute Freunde“ mit unglaublichem – und berechtigtem – Respekt behandelt. „Beckenbauer“ dagegen – und nicht nur, weil der Film eine Dokumentation ist – nähert sich seinem Gegenstand, der Person Beckenbauers, mit Ernshaftigkeit und auch Kritik. Manche Interviewpartner wie der gerade erst verstorbene Politiker Wolfgang Schäuble – auch wenn er während der WM 2006 als Innenminister auch für den Sport zuständig war – sind wohl nur in den Film geraten, weil sie Fans des FC Bayern waren. Andere sind vom Fach, obwohl sie – wie der frühere Außenminister Joschka Fischer – ganz woanders beheimatet waren und sind. Aber Fischer war Zeit seines Lebens Fußballfan und spielte verbissen jedes Spiel in der Mannschaft des Deutschen Bundestags. Gemeinsam mit Otto Schily – Innenminister bis 2006 – ist er zudem Zeitzeuge bei der WM-Vergabe an Deutschland gewesen, wegen der Franz Beckenbauer Jahre später in Verruf geriet. Der Theaterautor und Torwart der Autorennationalmannschaft Albert Ostermaier schließlich wagt sich an die Analsye der Dramaturgie in Beckenbauers Leben, und Entertainer Harald Schmidt lebt von alten satirischen Beiträgen über Beckenbauer aus seiner Show. Walter Beckenbauer schließlich darf erzählen, wie sehr er darunter litt, dass er als älterer Bruder überhaupt nicht mehr zum Star Franz Beckenbauer durchgelassen wurde, weil der zu beschäftigt war. Exfrauen – von Diana Sandmann bis Sybille Beckenbauer – rücken ebenfalls den Privatmann Beckenbauer in den Mittelpunkt und berichten sowohl über die Schwierigkeiten in der Beziehung als auch über Wesen und Charakter ihres früheren Lebensgefährten.
Beckenbauer: Joschka Fischer verteidigt den Weltstar
So ist der 90-Minüter am Ende viel mehr als nur die Doku über einen Fußballstar. Aber das ist ja auch nur selbstverständlich bei einem Menschen, der viel mehr war als nur ein Fußballspieler. „Beckenbauer“ ist ein Film darüber, welche Wechselmechanismen zwischen Mensch und Kapitalismus wirken, wenn ein einzelner – so wie Beckenbauer – im richtigen Moment an der richtigen Stelle ist und völlig neue Methoden der Vermarktung und des Verkaufs der eigenen Person entwickelt. Und nicht zuletzt ist der Film – was ihm viele ankreiden werden – auch der Versuch einer Rehabilitierung des so tief gefallenen Stars, dem die Öffentlichkeit über Jahrzehnte alle Fehler verzieh und den sie dann doch fallen ließ.