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Bela B Felsenheimer: Scharnow

Bela B Cover

Der Debütroman des Ärzte-Schlagzeugers quillt über vor Kuriositäten, die sich sämtlichen Genre-Gesetzmäßigkeiten widersetzen.

Ein mordendes Buch, eine Truppe nackter Männer, die einen Supermarkt überfallen, Verschwörungstheoretiker, ein fliegender Mann und ein Punkermädchen, das sich in einen syrischen Geflüchteten verliebt. So einen turbulenten Plot kann sich nur ein krankes Hirn ausdenken – oder ein Arzt wie Bela B. Seit mehr als 35 Jahren steht der Wahl-Hamburger bei der besten Band der Welt, den Ärzten, hinter dem Schlagzeug, und überzeugt außerdem als Schauspieler, Synchronsprecher und Spaghetti-Western-Experte. Und nun auch noch als Romanautor. „Ein Buch zu schreiben ist etwas, das ich noch nie gemacht habe, also habe ich eins geschrieben“, bringt Bela B seine Motivation auf den Punkt. Aus dem ursprünglichen Plan, einen Kurzgeschichtenband zu veröffentlichen, wurde schnell ein 400-Seiten-Buch, in dem alle Geschichten zu einer verbunden werden. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe männlicher Außenseiter, die den Dorf-Discounter überfällt, um Alkohol und Zigaretten zu erbeuten – nackt. Eine Episode, die auf einer wahren Begebenheit gründet und für Bela B das Zentrum seines Romans bildet, dessen unzählige Fangarme die Schicksale, Abenteuer und Absurditäten des provinziellen Alltags erzählen. „Scharnow“, das ist ein Kaff in Brandenburg, das den Autor auch an seine eigene Vergangenheit erinnert – den 50er-Jahre-Zweckbau seiner Kindheit vor Augen. Auch wenn die damalige Nachbarschaft nicht ganz so schräg gewesen sein dürfte wie in „Scharnow“, spielt Bela Bs Fähigkeit, absurde Beobachtungen zu Papier zu bringen, eine besondere Rolle. „Nerdige Korinthenkackerei“, nennt er das lachend. „Wenn ich einen Briefkasten mit dem Aufkleber ,Werbung verboten’ sehe, der aber schon vor Werbung überquillt, fällt mir das auf, und ich speichere es irgendwo im Hinterkopf ab.“ So quillt auch „Scharnow“ über vor Kuriositäten, die sich sämtlichen Genre-Gesetzmäßigkeiten widersetzen. Bela B hält es lieber wie Quentin Tarantino, der den Held auch schon mal in der ersten Szene über die Klinge springen lässt. „Ist ja kein Sachbuch, sondern ein Roman“, verteidigt sich er sich, „warum soll sich keine Liebesgeschichte entspinnen, wenn nebenan ein paar Leichen verrotten?“ Da stört es ihn auch nicht, wenn der Lektor das Manuskript mit Fragezeichen und „What the Fuck!“ kommentiert. Im Gegenteil: „Das ist für mich ein ganz starkes Lob.“ vr

Bela B Felsenheimer Scharnow

Heyne Hardcore, 2019, 416 S., 20 Euro

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