Ben Becker in „Apokalpyse“: Joseph Conrad auf dem Unterarm
Schauspieler Ben Becker ist wieder auf Tour. In „Apocalypse“ liest das sensible Raubein aus Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“
Die Ankündigung zur Tour „Apokalypse“ wird deutlich: „Lesungen mit Ben Becker sind keine Wasserglasveranstaltungen, sondern Ereignisse.“ Dabei ist die Liebe des Raubeins zum Schriftsteller Joseph Conrad ein Produkt seiner Sensibilität. Das machte Ben Becker schon im Jahr 2016 deutlich, als kulturnews ihn angesichts seiner Tour „Ich Judas“ (auch mit diesem Programm tourt er im Oktober wieder) interviewte:
Ich hab den Eindruck, Sie sind ein sehr verletzlicher Künstler.
Ben Becker: Bin ich. Sehr sensibel.
Aber das verstecken Sie. Sie verstecken das hinter Raubeinigkeit.
Becker: Ja, klar. Aber ich bin verletzt worden, als Kind schon. So verletzt worden, dass ich irgendwann angefangen habe, so zu tun, als ob, und mich so aufzubauen wie das Gegenüber, vor dem ich immer Angst hatte.
Und das werden Sie auch nicht mehr los.
Becker: Das geht ja nicht, ich leb nur einmal. Was soll ich machen? Die Leute, die mich kennen, wissen, dass ich ein ganz sensibles Weichei bin. Sonst würde das doch auch gar nicht gehen! Ich könnte mich nicht mit so schönen Texten auseinandersetzen, wenn ich die Liebe dazu nicht hätte.
Genau mit dieser Breitbeinigkeit kommen viele Kritiker nicht zurecht.
Becker: Ja.
Können die den doppelten Becker nicht sehen?
Becker: Vielleicht wollen die das gar nicht. Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass es mir große Freude bereitet, Joseph Roth zu lesen. Oder Joseph Conrad. Seinen Namen hab ich mir tätowieren lassen. (Becker zeigt seinen linken Unterarm und grinst wie ein Lausbub) Fand ich besser als Elvis Presley! Dieter Sturm, ehemals Dramaturg von Peter Stein, sagt: Also Ben! Joseph Conrad! Na logo!, sag ich. Sagt er: Das ist die erste Tätowierung, die ich gut finde. (wieder nachdenklich) Ich bin sehr feinfühlig. Sehr. Diese ganze Rüpelbehauptung – ich kann’s ja auch nicht mehr hören.
Interview im Jahr 2016: Jürgen Wittner
Damals präsentierte Ben Becker den auf seinem linken Unterarm eintätowierten Namen Joseph Conrads. Jetzt geht Becker mit seinem Programm Apokalypse auf Tour, einer Lesung aus Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“. Unter dem Titel „Apokalypse Now“ von Francis Ford Coppola verfilmt und dabei in den Vietnam-Krieg verlegt und weltweit berühmt gemacht, erzählt Joseph Conrad in „Herz der Finsternis“ ursprünglich von dem Ringen Kapitän Marlows mit dem in Belgisch-Kongo verrückt gewordenen Handelsagenten Kurtz. Joseph Conrads Erzählung wirft ein Schlaglicht auf das brutale Vorgehen der Kolonialmacht Belgien und ganz konkret des Belgischen Königs Leopold II. Dessen Privatbesitz ist der Kongo zwischen 1885 und 1908 gewesen; er plünderte das Land mit äußerster Brutalität aus und ließ die Bevölkerung des Landes gnadenlos niedermetzeln. „Herz der Finsternis“ zeigt die mit der kolonialistischen Ausbeutung eines Landes einhergehende unglaubliche Brutalität gegenüber der Bevölkerung und gleichzeitig die komplette moralische Verwahrlosung der Täter. Joseph Conrads literarische Meisterleistung ist eine der frühesten kritischen Auseinandersetzungen mit dem Kolonialismus, die Ben Becker jetzt mit seiner unverwechselbaren Stimme auf die Bühne bringen wird. jw