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„Better Man“ im Kino: Sorry, ich bin Primat hier

Der Film „Better Man“ über das Leben des Popstars Robbie Williams liefert einen Affen als Popstar ab. Das Biopic startet jetzt in den Kinos.
Jonno Davies steckt im Affenkostüm und spielt Robbie Williams im Film „Better Man“. Das Biopic kommt jetzt in die Kinos. (Foto: © TOBIS Film GmbH)

Das Biopic „Better Man“ von Michael Gracey über Robbie Williams kommt mit Wucht: Ein Affe spielt den Popstar – und der findet das verdammt gut!

Indem sich Regisseur Michael Gracey („The greatest Showman“) mit seinem Biopic „Better Man“ über Robbie Williams (er kommt im Sommer nach Deutschland auf Tour) der Wirklichkeit entsagt, kommt er der Wahrheit ein Stück näher – und macht den Popstar buchstäblich zum Affen.

Wird das Biopic eines Popstars angekündigt, drängt sich unweigerlich eine scheinbar alles entscheidende Frage auf: Wer spielt die Hauptrolle? Ist die Entscheidung gefallen, wird in den Fanlagern auch sogleich eifrig jedes kleinste Detail mit Argusaugen unter die Lupe genommen. Rami Malek, der den Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“ verkörpert hat oder Taron Egerton, Elton John in „Rocketman“, können trotz großer Kinoerfolge ein Liedchen von diesem Erwartungsdruck singen. Im Biopic über Robbie Williams umschifft Regisseur Michael Gracey jene unfairen Unvergleichbarkeiten hingegen mit einem brillant einfachen Kniff: Williams wird in „Better Man – Die Robbie Williams Story“ von einem Affen gespielt. Ja, wirklich: von einem Affen. Und es funktioniert fantastisch.

Unser Interview mit Michael Gracey finden Sie hier

Was sich erst einmal wie ein flotter Marketing-Gag anhört, entpuppt sich schnell als ein geschickter Hebel, einer bereits vorgeschriebenen Geschichte einen neuen Spin zu verleihen. Denn wo ein Affe einen Superstar spielt, ist erst mal alles möglich. Noch vor der ersten Szene sitzen Williams und Gracey wie alte Schulkumpels nebeneinander und erklären dem Publikum flachsend ihre Entscheidung: Williams habe sich zeit seines Lebens stets unterentwickelt gefühlt. Mit anderen Worten: primitiv. Da liegt der Schluss, einen computeranimierten Primaten als Hauptdarsteller einzusetzen, doch auf der Hand.

„Better Man“: Ganz normaler Biopic-Kitsch?

So sehr sich Gracey damit schon mal vorab von aller Konvention verabschiedet, ist der Einstieg in die Heldenreise dann doch unvermeidbar klassisch: In ärmlichen Verhältnissen in Stoke aufgewachsen, auf dem Schulhof unbeliebt und vom Vater (Steve Pemberton) alleingelassen, tauchen wir in die prekäre Kindheit Williams’ ein, die genug Löcher in die Kinderseele gerissen hat, um es einmal zum Popstar zu schaffen, und die es im weiteren Verlauf mit ordentlich Geld, Ruhm und Drogen zuzuschütten gilt.

In Zeitsprüngen, flankiert von Williams’ wirklich witzigen Einlassungen aus dem Off und herausragend choreografierten Musical-Einlagen, begleiten wir den Affen bei seinem Aufstieg zum König im Dschungel: vom Casting für Take That über erste Solosongs bis zum legendären Knebworth-Konzert, das bis heute als größte Musikveranstaltung der britischen Geschichte gilt. Also: ganz normaler Biopic-Kitsch?

Oder gnadenlos ehrliches Porträt?

„Better Man – Die Robbie Williams Story“ ist kein billiger Taschenspielertrick. Kein Fanservice-Feuerwerk. Und die wenigen larmoyanten Momente wie etwa die revueartige Choreo auf einer prunkvoll glitzernden Yacht als der von Take That ausgestoßene Williams zum ersten Mal auf All-Saints-Mitglied und baldige Verlobte Nicole Appleton (Raechelle Banno) trifft, nimmt man selbst dann noch schmunzelnd zur Kenntnis, wenn man kein Die-hard-Robbie-Williams-Fan ist. Schließlich sind jene Gala-Momente rar gesät in Graceys ansonsten eher gnadenlosem Porträt. Was Gracey durch seinen CGI-Affen aufgibt, ist die Wirklichkeit. Zugunsten surrealer Unterwasser- und blutiger Schlachtfeldszenen, die eher an Horrorfilme oder „Planet der Affen“ als an einen Feel-good-Familienfilm erinnern. Und so gelingt es ihm, das von Panik und Angst geplagte Innenleben eines sonst so charismatischen Mannes zu ergründen, der nie etwas anderes wollte, als berühmt zu werden. Koste es, was es wolle – und sei es das eigene Leben.

So schonungslos wie Williams stets selbst mit sich umgesprungen ist, ist auch der Zugriff dieses Films ein harter. Bis zum Schluss von „Better Man“ zieht es das Publikum tief in den Abgrund seiner Hybris und der Kokain- und Heroin-Exzesse, die Williams bis an den Rand des Selbstmordes getrieben haben. Das tut oft weh, ist streckenweise aber auch sehr unterhaltsam. Etwa wenn Williams mit Ego und Substanzen vollgepumpt den Gallagher-Brüdern begegnet und aus dem Off ein paar Seitenhiebe gegen Oasis verteilt oder ehemalige Take-That-Mitglieder und Manager Nigel Martin-Smith (Damon Herriman) bereitwillig bloßgestellt werden. Das Risiko, dabei überheblich zu wirken, hält sich jedoch in Grenzen. Ist es doch vor allem Williams eigene Großspurigkeit, die hier vorgeführt wird: Er ist der Zirkusaffe.

Wie der Vater, so der Schimpanse

Was von alledem nun en détail so passiert ist, spielt in Graceys großer Robbie-Williams-Revue ohnehin eine untergeordnete Rolle. Und so wird auch nicht jeder Erzählstrang aufgelöst, nicht jede Szene in einen größeren Kontext gesetzt. Nur eine Person, Williams Vater, der ihn einst verlassen hat, um selbst seine mediokre Karriere als Comedian voranzutreiben, und dessen große Entertainer-Vorbilder Frank Sinatra, Sammy Davis Junior und Dean Martin inzwischen in Williams Backstage als Fotos am Spiegel über ihn wachen, kreuzt bis zum Schluss immer wieder seinen Weg.

Es sei egal, ob du selbst liebst, was du tust, meint der Pop-Primat an einer Stelle. Wichtig sei bloß, dass es die Leute lieben. Dieses Leck innerer Liebe hat Williams bis in die Besessenheit und fast in den Wahnsinn getrieben. Und so dringt Graceys Biopic auf der Schlussgeraden noch einmal tief in eine Vater-Sohn-Beziehung ein und löst mit einer filmischen wie musikalischen Klammer, die nur den ganz großen Entertainern steht, ein wichtiges Missverständnis auf: Es lohnt sich eben doch, zu tun, was man liebt.

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