Pubertäre Gewalt und Grönemeyer-Quotes: Betterov im Interview
Manuel Bittorf alias Betterov verrät, was bei den Deluxe-Shows zu seinem Postpunkdebüt „Olympia“ anders wird – und warum er Herbert Grönemeyer beneidet.
Betterov auf Tour 2023: frische Songs, neues Showkonzept
Manuel, ich mache mir Sorgen um deine Work-Life-Balance. Hast du im letzten Jahr überhaupt mal Urlaub gemacht?
Betterov: Es ist schwierig, aber hin und wieder bekomme ich kleine Auszeiten hin. Wobei ich die nach den zwei Jahren Pause wegen Corona auch sofort unterbreche, wenn eine spannende Booking-Anfrage reinkommt. Es ist viel, aber es ist im positiven Sinne viel.
Dein Debüt ist direkt auf Platz fünf in die deutschen Albumcharts eingestiegen, die Tour war komplett ausverkauft, du hast den Preis für Popkultur bekommen, momentan spielst du fast jedes Wochenende auf Festivals, und ab November steht schon die nächste Clubtour an. Hast du nicht manchmal den Wunsch, die Welt anzuhalten, um all das erst mal sacken zu lassen?
Betterov: Klar, das Bedürfnis hatte ich schon hin und wieder, und ich versuche ja auch, ein bisschen auf mich aufzupassen. Andererseits spiele ich einfach wahnsinnig gern Konzerte. Es verändert sich ja auch immer was. Bei der Tour im Herbst wird es ganz frische Songs und ein neues Showkonzept geben.
Mitte Oktober erscheint dein Debüt „Olympia“ in einer Deluxe-Version. Was genau heißt das?
Betterov: Also, ich kann verraten, dass es alternative Versionen und auch ganz neue Stücke geben wird. Es werden wahnsinnig tolle Featuregäste dabei sein, und es wird auch mehrere Klavierversionen geben. Ich liebe das sehr, weil ich sehr viele Stücke ja auch am Klavier geschrieben habe. Nach der Bandversion überführe ich sie zurück in ihren ursprünglichen Zustand.
Mit „Jil Sander Sun“ ist vorab ja bereits ein neuer Song erschienen – und den höre ich auch im Zusammenhang mit dem in den letzten Wochen viel diskutierten Zulauf der AfD und dem Rechtsruck im Osten.
Betterov: Es geht in dem Song ja um pubertäre Gewalt, und was da natürlich mitschwingt, ist so eine ganz gewaltvolle Form von Männlichkeit. Es ist völlig normal gewesen, dass man abends loszieht, mit irgendjemanden Stress anfängt und sich dann prügelt. Das haben die Väter so gemacht, schon die Großväter haben das gemacht – und die Söhne wollen dem natürlich in nichts nachstehen. Und das baut natürlich auf einem bestimmten Weltbild auf.
„Ich war schockiert, aber wenn man die Umfragewerte der AfD im Blick hatte, ist es ja eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen.“
Du bist ja schon 2015 von Thüringen nach Berlin gezogen. Wie hat es sich für dich angefühlt, als du jetzt von Sonneberg und deren Landrat Sesselmann gehört hast?
Betterov: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dazu mehr Fragen als Antworten habe. Ich war schockiert, aber wenn man die Umfragewerte der AfD im Blick hatte, ist es ja eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen. Als ich aufgewachsen bin, habe ich immer gedacht: Damit sind wir durch. Vor allem in diesem Land müssen wir doch eigentlich niemandem mehr erklären, dass Politik, die auf Ausgrenzung basiert und die auch einen ganz starken faschistischen Arm hat, keine gute Idee ist. Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass das anscheinend doch der Fall ist, und ich wünsche mir einfach, dass wir uns als Gesellschaft dagegen stellen und deutlich machen, dass wir das nicht wollen.
Hast du auch ein Stück weit ein schlechtes Gewissen, weil du weggezogen bist?
Betterov: Ein schlechtes Gewissen nicht, da ich immer, wenn ich Thüringen war, den Debatten nie aus dem Weg gegangen bin, viel diskutiert und mit Menschen gesprochen habe. Es gibt ja diesen total schönen „Bochum“- Song von Herbert Grönemeyer, und ich habe mal ein Interview mit ihm gelesen, in dem er erzählt, wie schön er die Stadt findet und was er für sie empfindet. Er hat gesagt: Jemand, der in Bochum wohnt, der ist Bochumer. Was für ein toller Satz! Ich finde es total schön, dass jemand so eine Verbindung zu seiner Heimat hat und so über sie spricht. Das ist für mich in vielerlei Hinsicht schwierig geworden. Meine persönliche Erfahrung ist, dass es aber total hilft, zu sprechen und Menschen im Gespräch zu überzeugen. Mutig zu sein, aber auch mal zuzuhören. Denn dass wir miteinander sprechen ist immer noch das, was uns ausmacht und was uns weiterbringt.