„Bitte lächeln!“: In „Old Soul“ von Susan Barker werden Fotos zu Todesfallen

Der Plot ist spannend, doch leider kommt „Old Soul“ von Susan Barker für das Horror-Genre unüblich plätschernd daher.
In manchen Kulturen – etwa bei Aborigines oder einigen Stämmen der Native Americans – geht der Glaube um, wer fotografiert werde, dem werde die Seele gestohlen; aus dem Körper gezerrt, in ein Medium gebannt, und der Mensch als Hülle, fremd und entkernt, zurückgelassen. Der oder die Fotograf:in selbst sei folglich ein Agent des Bösen, eine Heimsuchung, ein Bote des entpersonalisierenden Fortschritts, der menschliche Essenzen sammelt, um sich selbst zu bereichern.
Damaris – oder Therese oder Marion, je nachdem, wo sie sich gerade aufhält und auf wen sie es abgesehen hat – verkörpert in Susan Barkers viertem Roman „Old Soul“ ebendiese Heimsuchung. Als eine Art ansteckender Fluch ziehen sich die Begegnungen mit ihr durch die episodischen Erzählungen von sieben Fremden: Da ist etwa Jake, ein Grundschullehrer aus London; Mariko, die japanische Bankerin; oder Sigrid, das Model und ehemalige Butoh-Tänzerin. Sie alle haben geliebte Menschen an die dämonische Fotografin verloren, deren Magie darin zu bestehen scheint, tief verschüttete Schuld und Traumata hochzuholen und gegen die Schuldigen auszuspielen – bis diese auf schaurige Weise sterben.
Zwischen Butoh und Badlands
Wie schon zuvor in „Sayonara Bar“ oder „The Incarnations“ untersucht Barker auch in „Old Soul“ die vielen Spielarten asiatischer Mythologie, mentaler Gesundheit, die Untiefen moderner Beziehungsführung und kosmische Zufälle. Barker, selbst Britin malaiischer Abstammung, erhielt für einen Auszug aus dem Buch 2020 den Northern Writers Award for Fiction. Es ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erscheint.
Neu ist, dass diesmal eine derart außerweltliche Figur im Zentrum steht. Wie um einen dunklen Stern kreisen die sieben Selbstzeugnisse – immer wieder unterbrochen von Szenen eines Roadtrips, den die Fotografin mit ihrem aktuellen Opfer, einer naiven Möchtegern-Influencerin, durch die amerikanischen Badlands unternimmt – um Damaris / Romy / Therese; und jede Erklärung, jede selbstgegebene Antwort auf das Erlittene führt dabei zu mehr Fragen. Das klingt als Prämisse zwar reizvoll: ein weltumspannendes Puzzle grausamer Verluste, das ewige „Was ist geschehen und warum mir?“ – ist in der Durchführung aber eher Durchschnitt.
Nicht nur kommt der Text für das angestrebte Horror-Genre unüblich plätschernd daher – die Sprache ist eingängig, aber unbesonders; Barker scheut vor allzu Szenischem zurück –, auch gibt er dem Innenleben der Antagonistin zu viel Raum. Sie ist kein Randall Flagg („The Stand“), kein Richter Holden („Die Morgenröte im Westen“), schon gar kein teuflischer Virus wie im Film „Smile“ – also weder Urgewalt noch eine Zwansgläufigkeit des Bösen. Sie fiebert, verfällt, immer wieder lenkt Susan Barker den Blick zurück auf ihre Inkonsequenz im Handeln, im Sein. Langsam entwickelt das Publikum so etwas wie Verständnis für die Fotografin. Aber liegt nicht eigentlich in der Unerklärlichkeit des Schreckens seine Faszination?
Noch eine Warnung zum Schluss: Barker verzichtet durchweg auf Anführungszeichen. Und wenn Dialoge und Beschreibungen immer schlechter auseinanderzuhalten sind, gerät der Schnappschuss schnell zum Stockfoto.
Hat es Susan Barker mit „Old Soul“ auf unsere Liste der besten Bücher im Mai 2025 geschafft?