Bitte recht freundlich! – King Hannahs neues Album „Big Swimmer“
Auf ihrem Debüt klangen King Hannah noch düster und angespannt. Nun aber lässt sich das britische Indierock-Duo in neue Richtungen treiben.
Optimistisch und zuversichtlich sind Wörter, die einem beim Sound von King Hannah so ziemlich als Letztes durch den Kopf gehen. Zu sehr hat der mit Shoegaze infizierte Indierock des Liverpooler Duos bisher Schneisen unter die Haut geschlagen. Doch genau diese Wörter nehmen Hannah Merrick und Craig Whittle in den Mund, um ihren zweiten Longplayer „Big Swimmer“ zu beschreiben. Die neue Entspanntheit beginnt schon beim großartigen Titelstück, das mit hellem Vintage-Folk und Sharon van Etten als Gastsängerin verführt. „Der Titel“, sagt Merrick, „ist eine Metapher dafür, niemals aufzugeben und der eigenen Version zu folgen“. Das erklärt auch, warum sowohl der Opener als auch die meisten der anderen Songs auf „Big Swimmer“ in verschiedenen Richtungen ausufern – gerade noch sturmerprobt und gitarrengetrieben, im nächsten Moment anlehnend und von flirrender Leichtigkeit umwoben.
Überall, wo zuvor bleierne Tristesse begeistert hat, wenden sich King Hannah nun der Hoffnung zu, ohne dabei allerdings das entschlossene Aufbäumen zu vernachlässigen. Einflüsse von Mazzy Star und PJ Harvey bis zu Bill Callahan und John Prine sind zu erahnen oder so offensichtlich wie im finalen Song „John Prine on the Radio“. „Diese Einflüsse sind schon immer Teil unserer Musik gewesen“, räumt Merrick ein, „aber nun hört man die Musik, die wir mögen, sehr viel deutlicher heraus“.
Jeder Song wirkt wie eine Reise, auf der man die Gelassenheit findet, mit Unvorhersehbarkeiten umzugehen. „Wir hatten viel mehr Zeit, dieses Album zu schreiben, was bedeutet, dass wir die Songs nehmen konnten, die wir wirklich mögen, während vorher der Druck größer war, schnell fertig zu werden“, erklärt Merrick die entschleunigte Atmosphäre, die „Big Swimmer“ trotz Noise-Momenten kennzeichnet. Gleichzeitig waren die beiden sich einig, mit dem zweiten Album dicht an ihrem Livesound zu bleiben, der beim Debüt aufgrund der Pandemie noch nicht ausreichend erprobt gewesen war. Die neuen Songs sind nun auf großer US-Tour entstanden. Eine Erfahrung, die sich auf den traumwandelnden Desertrock von „Somewhere near El Paso“ genauso ausgewirkt hat wie auf den Sheryl-Crow-Moment in „New York, let’s do nothing“. Einfach im Van auf endlosen Straßen unterwegs sein, ein Motel in der Ödnis gegen ein Hostel in der Metropole tauschen. Vor allem aber eins mit sich sein. Da wundert es wenig, dass die ehemals in Melancholie Ertrinkenden nun diese Zeile so entwaffnend wie aufbruchsbereite Slacker-Hobos singen: „You gotta take it slow if you’re gonna make it out of here.”