Wenn der Bosman zweimal klingelt
In Berlin jagt der knallharte LKA-Ermittler Frank Bosman einen Gangsterclan – doch Autor Clemens Murath lässt ihn dabei in „Der Libanese“ über Bitches und böse Buben stolpern …
Mit „Der Libanese“ stellt Clemens Murath von Anfang an klar: Zersplittert in Berlin eine Wohnungstür, hat meistens das LKA die Ramme geschwungen. Immer vorne mit dabei: Frank „Der Shooter“ Bosman und seine Jungs, die bei ihren Überraschungsbesuchen nicht so gerne vorher klingeln. Mit schwerer Montur, Pumpgun und ordentlich Radau stehen sie plötzlich bei den bad guys auf der Matte. Schon allein wegen eines internen Polizei-Wettbewerbs, wer diesen Monat am geilsten mit der Tür ins Haus fällt. Aber natürlich auch, um den Gangster-Clans zu zeigen, wer in der Hauptstadt immer noch das Sagen hat. Ganz oben auf der Abschussliste: die libanesische Aziz-Familie, die Schutzgeld, Prostitution und Drogenhandel im Portfolio hat und der eine Baugesellschaft als Geldwaschmaschine dient. Gegen deren Chef Arslan will Bosman endlich wieder punkten. Und – Bingo – nach einem Tipp grätscht er im Eros-Center an der Potsdamer in einen Heroindeal. Frank erschießt auf der Straße einen Drogenhändler, obwohl dieser schon die Waffe gestreckt hat, doch der große Fisch – Arslans jüngerer Bruder Tarik – ist ihm wieder durch die Lappen gegangen.
Frank & Co kennen sich aus mit harter Straße
Immerhin greift Kollege Schuster schnell noch Weedpacks und Weißes ab: schadet nicht, ein paar Leckerchen zu haben, wenn man bei den Gras-Ghanesen im Görli an heiße Infos kommen will. Frank & Co kennen sich aus mit harter Straße. Um sich zu behaupten, spielen sie dreckig, und ihr Chef schaut weg: Der Erfolg zählt, nicht die schmutzigen Details. Zumal die Aziz-Brüder immer aggressiver werden. Für sie ist Gewalt nie nur bequeme Problemlösung, sondern auch Abschreckung. Die Kosovo-Albaner werden gemessert, weil sie sich im Markt breit machen wollen. Ein Journalist findet sich nach einer Reportage über den Clan in einem Schwulenporno wieder. Ein Spitzel wird brutal gelyncht, und zwei Frauen schickt man vor einer Zeugenaussage auf Heroin. Doch es gibt auch einige, die vom Big-Business der Libanesen profitieren: Swingerkönig Rainer Butt hält in seiner Darkroom-Location etwa korrupte Banker und Bauamtsbeamte mit „Stutenreiten royal“ bei Laune.
Clemens Murath überkreuzt mehrere Plotlinien und dreht sie tempohart hoch.
Drehbuchautor Clemens Murath fährt in seinem Romandebüt ein prall gefülltes Figurenkabinett auf. Da er mehrere Plotlinien überkreuzt und sie tempohart hochdreht, wird das nicht nur wegen der Brutalo-Action zu einem großen Spaß. Erst recht, weil ein paar Gernegroße durch Selbstüberschätzung und dumme Zufälle Frank in die Quere kommen: Da ist Franks Schwester Helen, die gerade versucht, ihre C-Promi-Karriere als Schauspielerin zu pushen. Nebenbei lässt sich von der flinken Zunge ihres Yogalehrers Luis verwöhnen, der es dank seines Italo-Charms und des Zwanzig-Zentimeter-Schwengels auf die Shortlist ihrer Fuckboys geschafft hat. Helens Mann Harry ist genauso ein Flop wie seine Splatterfilm-Produktionen. Außerdem steht er auch noch beim Aziz-Clan in der Kreide. Da ist es eher mehr als zweifelhaft, ob er wirklich eine Mille auf der Kante hat, wie Luis vermutet. Mit Hilfe der zwei Volltrottel Bong-Bobo und Nazi-Uwe wird Harry von Luis entführt. Doch dann sitzen die beiden im improvisierten Folterkeller und kommen nicht an die Kohle ran, weil Helen sie schon heimlich abgebucht hat …
Und dann gibt es da auch die junge Nikki, die sich mit Anfang zwanzig gerade privat und beruflich ausprobiert. Ihr TV-Praktikum ist eher wack, aber beim Poetry Slam und dem SM-Blog zeigt sie, wo ihr die Seele juckt. Durch Zufall wird sie Augenzeugin wie Alphabulle Frank den Drogenkiller auf offener Straße niederknallt. Bei so einem Tier von Mann wird sie ganz schön wuschig und switcht zu ihrer devoten Seite. Aus einem Flirt wird mehr: Bald geht sie vor ihrem coolen Sheriff auf die Knie, streckt ihm Mund und Hintern entgegen und will auch mal in Handschellen genommen werden. Frank benutzt die blonde Männerfantasie zum Trieb- und Stressabbau, wenn’s ihm mal wieder zu hart wird. Doch Nikki kann ihm auch gefährlich werden …
Clemens Murath verneigt sich vor Elmore Leonard, der genial wie kein anderer Milieuschilderungen mit abgedrehten Gaunerstücken verbunden hat.
Mit einem Augenzwinkern gibt Clemens Murath seinen harten Kerlen von unerwarteter Seite Gegenwind: Tarik und sein Muskelmann Hulk bekommen ausgerechnet von Dummbratze Uwe mit dem Baseballschläger auf die Fresse, als sie seine Freundin anbaggern. Und Frank wird von seiner Frau Britta eine Therapie aufgebrummt, als diese von Sidechick Nikki erfährt.
Murath setzt Häkchen hinter alles, was man von einer Screwball-Krimiserie erwartet. Damit verneigt er sich vor Elmore Leonard, der genial wie kein anderer Milieuschilderungen mit abgedrehten Gaunerstücken verbunden hat. „Der Libanese“ zeigt, wie man mit authentischer Sprache und einem guten Schuss Pulp auch deutschsprachige Gangster-Action zur Höchstform bringt. Dank Clemens Murath ist Berlin jetzt Hardboiled-Hauptstadt.