„Der Buchspazierer“ – Ein lebender Bücheralgorithmus im Kino
Christoph Maria Herbst mal ganz anders: Im Film „Der Buchspazierer“ – jetzt im Kino – trägt der alternde Buchhändler Carl Kohlhoff Bücher in einer Kleinstadt aus und lernt dabei eine weitere junge Büchernarrin kennen.
Bücher werden immer seltener gelesen, selbst große Verlage stehen unter ökonomischem Druck. Die Geschichte vom Buchhändler Carl Kohlhoff, der Bücher noch selbst austrägt, ist also trotz ihrer märchenhaften Anmutung äußerst aktuell. auch wenn der Film „Der Buchspazierer“ mit Christoph Maria Herbst in der Hauptrolle dies nicht so recht zu nutzen weiß.
Regisseur und Kameramann Ngo The Chau ist einerseits spezialisiert auf Märchenverfilmungen, andererseits hat er mit „Drift – Partners in Crime“ eine Actionthrillerserie gedreht, zu der kulturnews anlässlich der ersten Staffel die Überschrift „Heiligs Blechle! Autovernichtung auf Sky!“ einfiel. In dem Familienfilm „Der Buchspazierer“ kommen fast gar keine Autos vor: Ein Eisauto steht auf dem Markplatz, das kleine Elektroauto eines Bringdienstes huscht manchmal durch die verwinkelten Gassen der märchenhafte Kleinstadt, und am Ende kommt ein Oldtimer zum Einsatz, um den Helden zu retten: Carl Kohlhoff (Christoph Maria Herbst, „Merz gegen Merz“, „Ein Fest fürs Leben“) hat seine Buchhandlung an eine Kette verkauft, die ihn schon bald auf die Straße setzen wird und , doch vorher trägt er in seinem alten Rucksack Bücher an seine Kundinnen und Kunden aus, die er selbst für sie ausgesucht hat: Kohlhoff ist so was wie ein lebender, analoger Algorithmus für Buchempfehlungen. Als plötzlich die neunjährige Schascha (Yuna Bennett) neben ihm auftaucht und wie eine Klette an Carl hängen bleibt, ändert sich das Leben des Alten schlagartig. „Der Buchspazierer“ ist ein mit starken Gefühlen unprätentiös umgehender Film. Aber er kann sich nicht entscheiden, welches seiner zwei zentralen Themen wichtiger ist: die Vernichtung der analogen Buchkultur oder die Traumata der wichtigen Personen des Films durch Verlusterfahrung. Das Ergebnis: Die Themen werden entweder gar nicht oder unbefriedigend oberflächlich zu einem familienfilmtauglichen Ende geführt.