Design mit Füßen treten: Teppiche zwischen Klischee und Kunst
Ein „geknüpfter, gewebter oder gewirkter rechteckiger oder runder Fußbodenbelag“ - so definiert der Duden den Teppich.
So einfach die Definition, so komplex bei näherem Betrachten das Objekt. Denn der Teppich kann viel mehr sein als nur ein Fußbodenbelag. Er ist Teil der Kulturgeschichte des Menschen und er kann auch Kunst sein.
Vom Wollfilz zum Wertgegenstand
Teppiche machen den Boden unter unseren Füßen weicher und wärmer und somit unseren Wohnraum komfortabler. Bereits vor 10.000 Jahren empfanden das Menschen so und stellten Teppiche her. Zunächst waren sie noch ein simpler aus Wolle gewirkter Filz. Doch die Techniken verfeinerten sich. Gewebt oder geknüpft, in vielen Farben und mit kunstvollen Mustern, wurde die Herstellung des Bodenbelags eine Kunst und der Teppich damit auch zum Wertgegenstand, Repräsentations- und Identifikationsobjekt. Kein Wunder, dass der Teppich teilweise auch seinen Weg vom Boden an die Wand fand.
Insbesondere im orientalischen Raum entwickelte sich für die Auswahl von Farben und Mustern vielfach eine ganz eigene Symbolsprache. Die Teppichsäle im Museum für islamische Kunst im Berliner Pergamonmuseum legen davon beeindruckend Zeugnis ab. Der Orientteppich avancierte auch in Europa zeitweise zur begehrten Wertanlage. Das Gewinnversprechen blieb allerdings in den meisten Fällen unerfüllt.
Der Teppich als Modern Art
Die Möglichkeiten der Massenproduktion haben auch vor dem Teppich nicht haltgemacht. Wie so viele andere Dinge ist er zum erschwinglichen Alltagsgegenstand und damit ein Teil der Wegwerfkultur geworden.
Doch das gilt längst nicht für jeden Teppich. Vor allem Modern-Art-Teppiche sind heute angesagte Designobjekte, die das heimische Wohnzimmer zur Galerie machen. Hier wird die Kunst dann im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten.
Angesagte Teppichdesigner wie Jan Kath, Thibault van Renne oder Hossein Rezvani experimentieren mit Stilen, Motiven, Farben und Materialien. Massenware aus dem Möbelhaus sind diese Teppiche nicht und dem klassischen Orientteppich ähneln sie auch nur noch selten. Sie stehen für Exklusivität. Die Alltagstauglichkeit rückt dabei in den Hintergrund, denn außergewöhnliche Materialien und hochwertige Verarbeitung machen die Stücke überwiegend nicht nur preis-, sondern auch pflegeintensiv.
Professionelle Reinigung und Pflege sind bei diesen hochwertigen Objekten entsprechend ein Muss. Doch wer für begehbare Kunst auf dem heimischen Fußboden bezahlt, nimmt das vermutlich gerne hin.
Bodenbelag mit kultureller Konnotation
Der Teppich kann auch im übertragenen Sinne zur Kunst beitragen. Seine kulturelle und historische Bedeutung und Symbolik dienen vielfach als Inspiration.
Als „fliegender Teppich“ beflügelt unter anderem der Orientteppich die Fantasie. Und so ziert beispielsweise das Kunstwerk „Fliegender Teppich“ von Pae White das Terminal 1 des neuen Berliner Flughafens.
Stereotypen und Klischees gehören ebenfalls zum Bild des fliegenden Orientteppichs. Mit denen lässt sich wunderbar spielen, wie das selbsternannte Satire-Kalifat „Die Datteltäter“ 2016 mit einer Aktion ebenfalls in Berlin zeigte.
Auch der Künstler Faig Ahmed hat sich mit seiner Teppich-Kunst einen Namen gemacht. Er spielt mit der Struktur des Teppichs, nimmt sie auseinander und fügt sie fantasievoll neu zusammen. Das Ergebnis sind außergewöhnliche optische Illusionen und Effekte.
Der Teppich kann offensichtlich vieles: Gebrauchsgegenstand, Liebhaberstück, Geldanlage, Designobjekt, Symbolträger oder Kunstinstallation. Es kommt wohl – wie so oft – auf den Standpunkt an. In diesem Fall ist es besonders empfehlenswert dabei auf dem Teppich zu bleiben.